Drei Tage nach dem tödlichen Anschlag auf den Boston-Marathon kommen die Ermittler nach eigenen Aussagen zwar voran - doch der entscheidende Durchbruch lässt auf sich warten.

Boston/Washington/Hamburg. Nach dem tödlichen Terroranschlag von Boston verfolgen die Ermittler US-Medienberichten zufolge eine konkrete Spur - eine bereits von mehreren Sendern vermeldete Festnahme eines Verdächtigen wurde vom FBI aber dementiert. Eine für Mittwochabend angekündigte Pressekonferenz zum Stand der Ermittlungen wurde von der US-Bundespolizei mehrfach verschoben und schließlich ganz abgesagt.

Bei dem Anschlag während des Boston-Marathons waren am Montag drei Menschen getötet und mehr als 180 verletzt worden. Die Hintergründe sind nach wie vor unklar. US-Präsident Barack Obama wollte am Donnerstag an einem Gedenkgottesdienst für die Opfer teilnehmen.

Wie der Sender CNN berichtete, suchen die Fahnder nach zwei verdächtigen Männern, die am Tag des Anschlags nahe der Marathon-Ziellinie fotografiert worden waren. Einer der Männer habe einen schwarzen Rucksack getragen. Zudem sei ein Verdächtiger mit einer weißen Baseball-Kappe, einem hellen Kapuzenshirt und einer schwarzen Jacke bekleidet gewesen, hieß es unter Berufung auf zwei mit den Ermittlungen vertraute Behördenvertreter. Es sei bislang aber noch nicht gelungen, die Verdächtigen namentlich zu identifizieren.

Die Zeitung „Boston Globe“ berief sich auf Ermittlungen, wonach ein Verdächtiger am Ort der zweiten Explosion in der Boylston Straße eine schwarze Tasche getragen und womöglich dort abgelegt habe. Die Kamera eines auf der gegenüberliegenden Straßenseite liegenden Geschäfts habe klare Bilder vom Tatort geliefert, hieß es. Unklar war jedoch, ob auch der Verdächtige von dieser Kamera gefilmt wurde.

Die Ermittler kämen voran, sagte der Gouverneur von Massachusetts, Deval Patrick, bei CNN. Mit „jeder Stunde“ sei man der Lösung des Falls näher. Zugleich bat er aber um Geduld. „Wenn sie (die Ermittler) damit fertig sind, sich ein komplettes Bild zu machen, werden sie uns sagen, wie dieses Bild aussieht“, sagte Patrick.

Zuvor hatten die Sicherheitsbehörden weitere Einzelheiten zur Bauart einer der Bomben bekanntgegeben. Demnach bestand sie aus mit einem Zünder versehenen Schnellkochtopf, der neben Schwarzpulver auch Nägel und Metallteile enthielt. Teile des Topfdeckels wurden CNN zufolge am Mittwoch auf einem Hausdach in der Nähe der Ziellinie gefunden. Ob auch die zweite Bombe aus einem Schnellkochtopf gebaut war, sei noch unklar. Beide Sprengsätze wurden nach FBI-Angaben vermutlich in schwarzen Nylontaschen zum Tatort gebracht.

Bei der Explosion der Bomben waren ein achtjähriger Junge, eine 29 Jahre alte Amerikanerin und eine Studentin aus China getötet worden. Am Mittwoch schwebten immer noch zwei der mehr als 180 Verletzten in Lebensgefahr. Der Zustand von zehn weiteren sei ernst, meldete CNN unter Berufung auf das Bostoner Traumazentrum.

Präsident Obama wurde am Donnerstag zu einem Gedenkgottesdienst für die Anschlagsopfer in der Heiligkreuz-Kathedrale in Boston erwartet. Die Flaggen an öffentlichen Gebäuden im Land wehen noch bis Sonnabend auf halbmast.

Die Ereignisse vom Mittwoch im Überblick:

+++ Ex-DFB-Sicherheitschef: Mehr Polizei nicht immer beste Lösung +++

12.02 Uhr: Der frühere DFB-Sicherheitsbeauftragte Helmut Spahn hat nach dem Bombenanschlag auf den Boston-Marathon vor übereilten Schlüssen und reflexartigen Rufen nach mehr Polizei oder Militär gewarnt. „Leider ist es so, dass nach Anschlägen wie jetzt in Boston oft weltweit nach verschärften Sicherheitsmaßnahmen gerufen und mehr Einschnitte in die Freiheitsrechte der Bürger gefordert werden“, sagte der Experte der Tageszeitung „Die Welt“ (Mittwoch).

Er betonte weiter: „Ich glaube, dass mehr Polizei, mehr Militär und mehr Restriktionen nicht immer die beste Lösung sind.“ Spahn war für den Deutschen Fußball-Bund bei der WM 2006 in Deutschland für die Sicherheit verantwortlich.

Gerade nach einem Ereignis wie beim Boston-Marathon müsse „objektiv und ohne Vorbehalte untersucht werden, ob es eine Möglichkeit hätte geben können, den Vorfall zu verhindern“, sagte er. Bei dem Bombenanschlag waren am Montag drei Menschen getötet und mehr als 170 verletzt worden. Bei einer offenen Veranstaltung ohne Türen oder Sicherheitsringe könne es „nie eine hundertprozentige Sicherheit geben“, räumte Spahn ein. Er glaube aber nicht, dass der Sport vermehrt in das Blickfeld des Terrorismus gerückt sei. „Objektiv gesehen“ passiere sehr wenig.

+++ Bomben wohl über Eieruhren gezündet +++

10.52 Uhr: Die Bomben von Boston waren offenbar simpel gebaut: Nach bisherigen Ermittlungen wurden sie aus handelsüblichen Schnellkochtöpfen hergestellt, die mit Nägeln, Metallkugeln und Schwarzpulver gefüllt waren, wie man es in den USA in vielen Supermärkten kaufen kann. Gezündet wurden die Sprengsätze vermutlich über einfache Eieruhren, versteckt waren sie in dunklen Nylontaschen oder Rucksäcken, die auf der Straße oder dem Bürgersteig in der Nähe der Ziellinie des Marathonlaufes abgestellt waren. Ein wichtiger Hinweis für die Ermittler ist zurzeit die Markierung „6L“ für sechs Liter auf den Überresten der Schnellkochtöpfe. Sie könnten einen Hinweis auf den Hersteller geben.

Nach Erkenntnissen der US-Behörden wurden Schnellkochtöpfe bei Anschlägen unter anderem in Afghanistan, Indien, Nepal oder Pakistan verwendet, alles Länder, in denen diese Kochtöpfe weit verbreitet sind. Auch die vier algerischen Islamisten, die im Dezember 2000 eine Bombe auf dem Straßburger Weihnachtsmarkt zünden wollten, hatten sich einen pakistanischen Dampfkochtopf aus Aluminium bestellt, der bei einer Explosion in besonders kleine Teile zersplittert wäre. Auch bei der Bombe, die der pakistanischstämmige US-Bürger Faisal Shazad im Mai 2010 auf dem New Yorker Times Square zünden wollte, spielte ein Schnellkochtopf eine Rolle. Wegen eines fehlerhaften Zünders explodierte sie nicht.

Die US-Behörden wenden sich allerdings gegen vorzeitige Festlegungen, dass die Art der Bombe auf Islamisten schließen lässt. Schließlich sind die Anleitungen zum Bombenbau für jedermann im Internet verfügbar. Das US-Heimatschutzministerium warnte schon 2004 vor der Verwendung von Schnellkochtöpfen beim Bau von Terrorwaffen. In dem Bulletin wurde allerdings darauf hingewiesen, dass diese Technik vor allem in afghanischen Terror-Trainingscamps gelehrt wird.

2010 veröffentlichte das Heimatschutzministerium zusammen mit dem FBI einen weiteren Warnhinweis. Im selben Jahr stellte das britische Online-Blatt „Inspire“, dem Verbindungen zu al-Qaida nachgesagt werden, einen Artikel mit der Überschrift: „Wie Du eine Bombe in der Küche Deiner Mutter baust“ in Netz. Darin heißt es: „Der Dampfkochtopf ist die effektivste Methode.“

+++ Brief mit Giftspuren im US-Senat abgefangen +++

10.04 Uhr: In einem Brief an einen US-Senator sind Spuren des lebensgefährlichen Gifts Rizin gefunden worden. Das Schreiben sei an den Republikaner Roger Wicker aus dem Bundesstaat Mississippi adressiert gewesen und in der Poststelle der Kongresskammer abgefangen worden, teilten die Behörden am Dienstagabend mit. Ob ein Zusammenhang mit dem Bombenanschlag auf den Marathon in Boston bestehe, könne derzeit noch nicht gesagt werden, erklärte der Vizefraktionschef der Demokraten im Senat, Richard Durbin. Der Vorfall erinnere aber an die Briefe mit Milzbrand-Erregern, die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 im Kongress aufgetaucht seien. Die Bundespolizei FBI und andere Sicherheitsbehörden nahmen die Ermittlungen auf.

Der Rizin-Brief hatte den Angaben zufolge keinen Absender und war in Memphis im Bundesstaat Tennessee abgestempelt worden. Alle Poststellen im Kapitol wurden vorerst geschlossen. Am Montag waren bei der Explosion zweier Bomben beim Marathonlauf in Boston drei Menschen getötet worden. 176 Menschen wurden verletzt. Die Täter oder ein Motiv sind bislang nicht bekannt.

+++ Vater von totem Jungen: „Wir kämpfen mit unserer Trauer“ +++

8.14 Uhr: Nach dem Tod seines achtjährigen Sohns Martin beim Anschlag in Boston hat sich zum ersten Mal der trauernde Vater zu Wort gemeldet. „Mein geliebter Martin starb an seinen schweren Verletzungen infolge der Anschläge von Boston“, sagte Bill Richard am Dienstag. Er bestätigte, dass auch seine Frau bei den Explosionen schwer verletzt worden sei und seiner Tochter ein Bein amputiert werden musste.

„Wir danken allen für ihr Mitgefühl und ihre Gebete“, sagte Richards. Zugleich bat er, die Privatsphäre seiner Familie zu achten: „Wir kämpfen weiterhin mit unserer Trauer.“ Richards hatte selbst am Boston-Marathon teilgenommen. Seine Frau und drei Kinder hatten an der Zielgeraden auf ihn gewartet, als die Bomben explodierte. Das dritte Kind blieb unverletzt.

+++ Boston-Marathon soll 2014 stattfinden +++

7.54 Uhr: Die Organisatoren des Boston-Marathon wollen den ältesten Stadtlauf der Welt auch im kommenden Jahr durchführen. „Wir setzen uns dafür ein, diese Tradition mit dem 118. Boston-Marathon in 2014 aufrechtzuerhalten“, sagte Thomas Grilk, Chef der Boston Athletic Association. Die Organisation kooperiert bei der Aufklärung des Anschlages mit den Behörden, um den oder die Täter zu finden. Daher könne man derzeit nur eingeschränkt Informationen an die Öffentlichkeit weitergeben. Die Stadt, so Grilk weiter, werde sich von den schockierenden Erlebnissen erholen: „Boston ist stark. Boston ist unverwüstlich. Boston ist unser Zuhause. Und Boston hat uns in den vergangenen 24 Stunden sehr stolz gemacht.“ 8500 Freiwillige und 1000 medizinische Fachkräfte hatten bei der Veranstaltung geholfen. Viele von ihnen hatten nach den zwei Explosionen dafür gesorgt, dass die Verwundeten schnellstmöglich medizinisch behandelt wurden. 26.000 Läufer waren an den Start gegangen, mehr als 500.000 Menschen hatten die Straßen von Boston gesäumt.

+++ Bostoner Feuerwehrleute setzen Belohnung aus +++

7.37 Uhr: Für Hinweise, die helfen, den oder die Attentäter von Boston zu finden, hat die Feuerwehr 50.000 Dollar Belohnung ausgesetzt. Sie richtete außerdem einen Fonds für die Opfer der Bombenexplosionen ein, wie auf einer Pressekonferenz mitgeteilt wurde.

+++ Hunderte bei ersten Gedenkfeiern +++

7.13 Uhr: Hunderte Menschen haben bei kurzfristig organisierten Gedenkfeiern in Boston der Opfer beim Marathonlauf gedacht. Mit US-Fahnen und Plakaten versammelten sie sich am Abend (Ortszeit) an verschiedenen Orten der Stadt, um gemeinsam zu singen und zu trauern. In einem Park nahe der Anschlagstelle zündeten viele Menschen Kerzen an und sangen die amerikanische Nationalhymne.

Bei einer speziell für das jüngste Todesopfer, den achtjährigen Martin Richard, organisierten Trauerfeier versammelten sich Hunderte Menschen in einem Park im Vorort Dorchester, wo Richard gewohnt hatte. Gemeinsam sangen sie „God Bless America“. Für einen für Donnerstag geplanten offiziellen Gedenkgottesdienst hat sich auch US-Präsident Barack Obama angekündigt.

+++ Behörden hoffen auf Hilfe von Bürgern +++

7.08 Uhr: Bei der Suche nach den Bombenlegern von Boston hoffen die Behörden auf breite Hilfe aus der Bevölkerung. „Irgendjemand weiß, wer dies getan hat“, sagte Rick DesLauriers von der Bundespolizei FBI bei einer Pressekonferenz. Die Bandbreite möglicher Täter und Motive sei groß. Bislang seien rund 2000 Hinweise eingegangen, viele davon seien analysiert und überprüft worden. Mehr als 1000 Fahnder seien mit dem Fall befasst. Es sei anzunehmen, dass die Sprengvorrichtung in einer schwarzen Nylontasche gewesen sei. Genaue Erkenntnisse über verwendete Materialien würden laufende Laboruntersuchung ergeben.

+++ Drittes Todesopfer studierte an Universität +++

7.05 Uhr: Unter den drei Todesopfern des Bombenanschlags von Boston ist auch eine chinesische Studentin der Boston University. Das teilte das Generalkonsulat der Volksrepublik in New York mit. Ihre Familie habe jedoch darum gebeten, die genaue Identität nicht öffentlich zu machen. Eine weitere Chinesin, die Freundin des Todesopfers, sei bei der Explosion verletzt worden und befinde sich nach zwei Operationen mittlerweile in stabiler gesundheitlicher Verfassung, hieß es weiter. Beide hatten an der Boston University studiert. Auch die Hochschule hatte auf ihrer Internetseite vom Tod einer Studentin berichtet, auf nähere Angaben zur Person jedoch verzichtet, da dafür noch keine Genehmigung der Familie vorliege.

+++ Obama reist am Donnerstag nach Boston +++

7 Uhr: US-Präsident Barack Obama reist am Donnerstag nach Boston. Er werde dort an einer Gedenkveranstaltung für die Opfer des Bombenanschlags auf den Marathon teilnehmen, teilte das Weiße Haus mit. Der Präsident werde am Vormittag den Gottesdienst in der „Cathedral of the Holy Cross“ besuchen, sagte der Gouverneur von Massachussetts, Deval Patrick, am Dienstag bei einer Pressekonferenz.

+++ Noch keine Festnahmen +++

6.56 Uhr: Nach Angaben der Bostoner Polizei gibt es nach wie vor keine Festnahmen. Aus dem FBI verlautete zudem, niemand habe sich zu der Tat bekannt. Es gebe ein breites Spektrum von möglichen Motiven. Auch sei unklar, ob es sich um einen oder mehrere Täter gehandelt habe.