Der in der tödlichen Prügelei am Berliner Alexanderplatz hauptverdächtige 19-Jährige ist aus der Türkei nach Berlin zurückgekehrt. Onur U. sitzt nun in Untersuchungshaft.

Berlin. Sechs Monate nachdem der 20-Jährige am Berliner Alexanderplatz zu Tode geprügelt wurde, hat sich am Montag auch der letzte der sechs Tatverdächtigen der Justiz gestellt. Onur U. war kurz nach der Tat in die Türkei geflohen und seither offenbar für die Behörden unauffindbar.

Erst vor vier Tagen hatte die türkische Justiz mitgeteilt, U. werde als türkischer Staatsbürger nicht ausgeliefert. Stattdessen seien in der Türkei gegen den 19-Jährigen Ermittlungen wegen vorsätzlichen Mordes eingeleitet worden. Dann die Überraschung, mit der niemand in Berlin gerechnet hätte. Am Montagnachmittag gegen 14 Uhr landete Onur U. in Begleitung eines Anwalts mit einer Maschine aus Izmir auf dem Flughafen Tegel. Gegen den 19-Jährigen besteht seit Monaten ein Haftbefehl, er wurde von der Polizei in Empfang genommen und in die Untersuchungshaftanstalt Berlin-Moabit gebracht.

Der 19-Jährige gilt als einer der Hauptverdächtigen im Fall Jonny K. Fünf weitere Verdächtige, von denen vier ebenfalls in Untersuchungshaft sitzen, hatten den 19-Jährigen schwer belastet. Onur U. ist einer von drei Verdächtigen, gegen die die Berliner Staatsanwaltschaft wegen Körperverletzung mit Todesfolge ermittelt. Inzwischen ist Anklage gegen fünf Verdächtige erhoben worden, der Prozess wird voraussichtlich im Mai beginnen. Ob dann auch Onur U. vor Gericht stehen oder sein Verfahren aufgrund der Kürze der Zeit abgetrennt wird, ist noch unklar. Unklar ist ebenso, was den 19-Jährigen plötzlich zur Rückkehr bewog. Strafrechtler vermuten, die eingeleiteten Mordermittlungen in der Türkei hätten den Ausschlag gegeben. Es ist allgemein bekannt, dass die türkische Strafjustiz eine härtere Gangart anschlägt als die meisten Behörden westeuropäischer Länder.

Deutsche Haft von Vorteil

Am Montag wurde noch über einen weiteren Beweggrund des 19-Jährigen spekuliert. Ihm soll von verschiedenen Seiten nahegelegt worden sein, sich doch besser den deutschen Behörden zu stellen. Dabei soll ihm auch klargemacht worden sein, dass es von Vorteil für ihn wäre, eine mögliche Haftstrafe im Falle einer Verurteilung in Deutschland, statt in der Türkei abzusitzen. Ein Berliner Justizsprecher sprach am Montag von reinen Spekulationen, an denen er sich nicht beteiligen wolle. Onur U. ist einer der sechs Verdächtigen, die an der tödlichen Prügelorgie nahe dem Alexanderplatz am 14. Oktober vergangenen Jahres beteiligt waren. Dabei wurde der 20-jährige Jonny K. aus einer Gruppe von mehreren Angreifern in schlimmster Weise zusammengeschlagen und getreten. Jonny K. erlag einen Tag später in einem Krankenhaus seinen schweren Verletzungen, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben. Die brutale Tat hatte wochenlang Schlagzeilen gemacht und eine Welle des Mitgefühls für die Familie des Getöteten ausgelöst.

Die zuständige Mordkommission gelangte durch Fotos aus einer Überwachungskamera und Hinweise aus der Bevölkerung schnell auf die Spur der mutmaßlichen Schläger. Vier Verdächtige konnten festgenommen werden oder stellten sich, drei von ihnen sitzen seither in Untersuchungshaft. Einer von ihnen, der 21-jährige Melih Y., floh direkt nach der Tat in die Türkei, kehrte aber zwei Wochen später freiwillig zurück und stellte sich in Begleitung eines Anwalts der Polizei.

Bilal K., ein weiterer Verdächtiger, war nach der Tat ebenfalls über Griechenland in die Türkei geflüchtet. Der 24-Jährige ist der Älteste der sechs mutmaßlichen Schläger. Er kehrte Mitte März zurück und sitzt seither ebenfalls in Untersuchungshaft. K. und zwei anderen Männern wirft die Staatsanwaltschaft Körperverletzung mit Todesfolge vor. Die Anklagebehörde ist davon überzeugt, dass das Trio Jonny K. die tödlichen Verletzungen beibrachte.

Eine Tötungsabsicht sei den drei Männern nicht nachzuweisen, begründete Justizsprecher Martin Steltner den Verzicht auf eine Anklage wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts. Zwei weitere Verdächtige werden der gefährlichen Körperverletzung beschuldigt. Sie haben gestanden, auf einen Begleiter von Jonny K. eingeschlagen zu haben. Einen Angriff auf Jonny K. selbst bestreiten beide.

Es gibt viele Menschen in Berlin, die zu anonymen Opfern von Gewalt werden. Jonny K. blieb nicht anonym. Seine Schwester Tina K. ging an die Öffentlichkeit. Wühlte die Menschen auf. Sprach und spricht für ihren Bruder, der es selbst nicht mehr kann. Mit dem von ihr gegründeten Verein "I am Jonny" kämpft sie gegen Gewalt und für mehr Toleranz. "Es ist Zeit aufzustehen", sagt sie.