Die Verdächtigen behaupten, die britische Touristin hätte alles nur erfunden. Die Londoner Zahnärztin soll von zwei Männern in ihrem Hotelzimmer belästigt worden sein.

Neu Delhi. Im Fall der britischen Touristin, die aus Angst vor sexueller Belästigung durch das Fenster ihres Hotelzimmers in Indien geflohen war, haben die Verdächtigen die Vorwürfe zurückgewiesen. Das sagte der Anwalt eines der Männer am Mittwoch nach einer gerichtlichen Anhörung im indischen Agra. Seinen Angaben zufolge wollten die Beschuldigten die Urlauberin lediglich auf deren eigenen Wunsch hin wecken.

Der Anwalt Prakash Narayan Sharma vertritt den Geschäftsführer des Hotels Agra Mahal, der zusammen mit einem Mitarbeiter verdächtigt wird, die Urlauberin belästigt zu haben. Die Verdächtigen erschienen vor einem Gericht in Agra, wo sich das berühmte Taj Mahal befindet. Sein Mandant werde bei einer für Donnerstag geplanten weiteren Anhörung auf nicht schuldig plädieren und eine Freilassung gegen Kaution beantragen, sagte Sharma.

Die Britin – eine Londoner Zahnärztin – war am Dienstag in ein Krankenhaus gebracht worden, nachdem sie durch das Fenster ihres Hotelzimmer geflohen war. Bei dem Sprung hatte sie sich oberflächlich am Bein verletzt. Laut Polizei floh sie, als zwei Männer in der Nacht versuchten, in ihr Zimmer einzudringen. Demnach hatte die Frau zuvor das Drängen des Hotelchefs zurückgewiesen, sich von ihm massieren zu lassen. Um 04.00 Uhr morgens sei dieser mit einem weiteren Mann zurückgekehrt und habe versucht, sich Zugang zu dem Zimmer zu verschaffen.

Der Anwalt sagte, die Frau habe selbst darum gebeten geweckt zu werden, weil sie früh morgens einen Zug nach Jaipur in Rajasthan nehmen wollte. Der Geschäftsführer des Hotels und ein Sicherheitsangestellter hätten an ihre Zimmertür geklopft. „Da sie keine Antwort bekamen, haben sie die Tür mit einem Schlüssel geöffnet“, fügte der Anwalt hinzu. „Aus einem Grund, den nur sie kennt, ist die Frau vom Balkon gesprungen.“

Sein Mandant sei Opfer eines abgekarteten Spiels, die Britin habe alles erfunden, sagte Sharma. Er warf zugleich der Tourismusbehörde in Neu Delhi vor, hinter den Vorwürfen zu stecken, um das Image von Agra zu beschädigen.

Die Touristin hingegen berichtete der britischen Zeitung „Daily Telegraph“, sie habe Angst gehabt, ihr Zimmer zu verlassen, als der Hotelchef vor der Tür stand. Sie habe gegen die Tür gepoltert und geschrieen, aber niemand sei gekommen. Die Touristin will nun in ihre Heimat zurückreisen. Ihre Mutter werde sie abholen, sagte eine Polizistin in Agra.

Der Vorfall ereignete sich drei Tage nach der Gruppenvergewaltigung einer Schweizer Touristin im zentralen Bundesstaat Madhya Pradesh. Die Frau war in der Nacht zum Samstag vor den Augen ihres gefesselten Ehemannes von mehreren Männern missbraucht und anschließend ausgeraubt worden.

Sexuelle Gewalt gegen Frauen ist in Indien weit verbreitet. Kritiker werfen Polizei und Justiz vor, viele Fälle von Vergewaltigungen gar nicht erst aufzunehmen oder rasch einzustellen. Für weltweites Entsetzen sorgte der Fall einer Studentin, die im Dezember in Neu Delhi vor den Augen ihres Freundes von mehreren Männern vergewaltigt wurde. Die Frau starb später an ihren Verletzungen. Das indische Unterhaus billigte am Dienstag ein Gesetz, das härtere Strafen für Sexualstraftaten vorsieht.