Er hatte Liebeskummer, verschaffte sich Waffen des Vaters und löste an seiner Schule Amokalarm aus. Jetzt steht der 15-Jährige vor Gericht.

Memmingen. Liebeskummer soll das Motiv des Amokschützen von Memmingen gewesen sein, der an seiner Schule für Angst und Schrecken sorgte. Der 15-Jährige räumte am Dienstag vor dem Landgericht die Tat ein und beteuerte, er habe keine Tötungsabsichten gehabt. Seine Freundin habe am Tag zuvor Schluss gemacht, sagte der Gerichtssprecher Manfred Mürbe. „Er hat sich von ihr ungerecht behandelt gefühlt.“ Der Schüler ist unter anderem wegen zwölffachen versuchten Totschlags angeklagt.

Am 22. Mai 2012 hatte der Jugendliche an der Memminger Lindenschule einen Schuss abgegeben und dadurch einen Amokalarm ausgelöst. Später schoss er mit scharfen Waffen seines Vaters auf einem Sportplatz mehrmals um sich. Die etwa 280 Schüler der Mittelschule flüchteten mit ihren Lehrern in die Klassenzimmer und verschanzten sich darin. Erst nach mehrstündigen Verhandlungen konnten Spezialkräfte den damals 14-Jährigen zur Aufgabe bewegen. Zuvor soll er teilweise gezielt in Richtung der Polizisten geschossen haben. Mehr als 70 Patronenhülsen waren sichergestellt worden. Verletzt wurde niemand.

Eine Verschärfung des Waffenrechts lehnt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) ab. Nach seinen Angaben geht die Zahl der registrierten Waffen zurück. Ende 2012 gab es im Freistaat knapp 290.000 Waffenbesitzer und rund 1,15 Millionen Schusswaffen. Das waren 7000 Besitzer und 50 000 Schusswaffen weniger als Ende 2010. „Ein Grund dafür ist, dass die Waffenbehörden konsequent von den Waffenbesitzern Nachweise zur sicheren Aufbewahrung eingefordert und auch stichprobenartig kontrolliert haben“, sagte Herrmann in München. In den vergangenen zwei Jahren seien knapp 70.000 Schusswaffen vernichtet worden – 80 Prozent davon waren in legalem Besitz.

Die Öffentlichkeit ist von dem Verfahren vor der Jugendkammer in Memmingen ausgeschlossen. Über den Auftakt berichtete Justizsprecher Mürbe, der Junge habe bei seiner Aussage „gefasst, aber verschlossen“ gewirkt. Er habe zugegeben, mit Waffen seine Schule betreten und später auch in Richtung Menschen und Autos geschossen zu haben. Nach eigenen Angaben habe er einen „totalen Blackout“ gehabt.

Der Angeklagte habe den Ablauf der Tat so geschildert, sagte Mürbe: Bereits am Abend vor der Tat war er daher erregt und aggressiv und reagierte sich im häuslichen Keller im Beisein seines Vaters beim Schießen mit Luftdruckwaffen ab. Als der Vater ihn zwischendurch alleine ließ, manipulierte er das Zahlenschloss des Tresors, in dem der Schlüssel für den Waffenraum gelagert war. Später verschaffte er sich von dort zwei scharfe Pistolen, eine Luftdruckpistole, einen Dolch und Munition. Diese Waffen nahm er am nächsten Morgen mit in die Schule.

Nach seiner Festnahme war der Schüler zunächst in einer psychiatrischen Klinik untergebracht. Seit Herbst sitzt er in Untersuchungshaft. Ein Gutachter hat ihn für schuldfähig erklärt. Bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu zehn Jahre Jugendstrafe. Der Prozess wird an diesem Donnerstag (24. Januar) fortgesetzt.

Im Gegensatz zu anderen Straftaten werden Amokläufe häufig mit legalen Waffen verübt. Innenminister Herrmann sieht keine Notwendigkeit, die Aufbewahrung von legalen Waffen gesetzlich anders zu regeln: „Wir haben eines der restriktivsten Waffengesetze in Europa.“ Der Amoklauf 2009 in Ansbach sei mit einer Axt verübt worden. „Sollen wir dann die Äxte in Gartenhäuschen verbieten?“

SPD und Grüne fordern unangemeldete und schärfere Kontrollen von Waffenbesitzern. Nach Angaben des sicherheitspolitischen Sprechers der SPD, Harald Schneider, wurden in den vergangenen Jahren nicht einmal ein Prozent der bayerischen Waffenbesitzer kontrolliert. Die Grünen verlangen eine Neuregelung des Waffenrechts: Waffen und Munition sollten außerhalb von privaten Haushalten gelagert werden.

Über die Waffen, die legal in Umlauf sind, soll ein am 1. Januar eingeführtes Waffenregister schnell und unkompliziert Auskunft geben. „Bisher waren die Daten auf Karteikarten oder nichtkompatiblen EDV-System im gesamtem Bundesgebiet verstreut“, teilte der bayerische Landesverband der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) mit. Während jedes Fahrrad schon längst europaweit über eine Datenbank finden könne, habe man nach Waffen bisher über fast 600 verschiedene Behörden suchen müssen. Kritik äußerte die Gewerkschaft an der Praxis der Kontrollen: Sie erfolge nur stichprobenartig und angemeldet.