Den Eltern des Amokläufers von Winnenden sollen die Hassgefühle ihres Sohnes bekannt gewesen sein. Notizen der Familienbetreuerin verlesen.

Stuttgart. Die Eltern des Amokläufers von Winnenden und Wendlingen haben möglicherweise von den Hassgedanken ihres Sohnes gewusst. Das geht aus Notizen einer Familienbetreuerin hervor, die das Stuttgarter Landgericht am Montag im zweiten Prozess gegen den Vater des Täters verlas. Demnach schrieb die Frau, die Eltern hätten ihr gesagt, ihr Sohn Tim K. habe bei seinem ersten Gespräch mit Ärzten einer psychiatrischen Klinik in Weinsberg von seinem Hass auf die Welt erzählt. Am Nachmittag sollte in dem Prozess ein Gutachter aussagen.

Die Betreuerin hatte die Familie von Tim K. nach der Tat betreut. In den Notizen auf ihrem Laptop, die die Staatsanwaltschaft beschlagnahmt hatte, heißt es laut Gericht weiter, Tim K. habe die Aussage über die Hassgedanken bereits in dem darauf folgenden Gespräch mit den Ärzten wieder zurückgenommen. Außerdem heißt es, die Klinik habe die Eltern in einem Abschlussgespräch darüber unterrichtet, dass bei ihrem Sohn keine schwere psychische Erkrankung festgestellt worden sei. Es seien aber weitere Gespräche mit Tim K. empfohlen worden. Zudem steht in den Notizen, der Vater habe der Klinik nicht mitgeteilt, dass er seinen Sohn zum Schießtraining mitnehme.

Der Vater des Amokläufers muss sich erneut vor Gericht verantworten, weil er eine Pistole unverschlossen im Schlafzimmer aufbewahrt hatte. Mit dieser Waffe hatte der 17-jährige Schüler im März 2009 bei einem Amoklauf 15 Menschen und sich selbst getötet. Der Vater war unter anderem wegen fahrlässiger Tötung zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt worden. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil allerdings wegen eines Verfahrensfehlers auf.

Die Familienbetreuerin gilt als zentrale Zeugin in dem Prozess. Im ersten Prozess hatte sie ausgesagt, die Eltern hätten ihr gesagt, dass ihr Sohn in der Klinik über Hassgedanken und Tötungsfantasien gesprochen habe. Kurz darauf erklärte sie hingegen, sie habe dies doch nicht von den Eltern erfahren. Nachdem die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen Falschaussage eingeleitet hatte, kehrte sie wieder zu ihrer ursprünglichen Version zurück und verweigerte mit Zustimmung des Gerichts die weitere Auskunft.

Im zweiten Prozess sollte sie erklären, welche der beiden Versionen stimmt. Sie berief sich allerdings auf Erinnerungslücken, die infolge der traumatischen Belastungen durch ihre Befragung im ersten Prozess aufgetreten seien. Ein ärztliches Attest legte sie vor. Die Ärzte der Weinsberger Klinik verweigerten mit Verweis auf die ärztliche Schweigepflicht die Aussage.

Am Montag sagte zudem der Vorsitzende Richter aus dem ersten Prozess, Reiner Skujat, aus. Er sagte, die Familienbetreuerin habe bei ihrer ersten Befragung konzentriert, flüssig und frei gesprochen. Am zweiten Tag der Vernehmung sei sie aber „völlig verändert“ gewesen und habe „gehemmt und fahrig“ gewirkt.