Schusswaffen sind Teil der US-Kultur. Doch nach dem Schulmassaker in Newtown sprechen viele von einem Wendepunkt.

Washington. Die US-Waffenlobby präsentiert sich gerne vornehm und gediegen. Die Pressekonferenz, zu der die National Rifle Association NRA für diesem Freitag (16.45 MEZ) in Washington eingeladen hatte, war im „Willard Hotel“ angesetzt – dem ersten Haus am Platz. Selten war ein Medienereignis in der US-Hauptstadt mit so viel Spannung erwartet worden.

Vor genau einer Woche schoss der 20-jährige Adam Lanza mit einem Sturmgewehr in der Sandy-Hook-Grundschule in Newtown um sich, tötete 20 Kinder sowie sechs Erwachsene und nahm sich dann selbst das Leben. Seine Mutter, eine Waffennärrin, die ihren Sohn nach Medienberichten mit auf den Schießstand nahm, wurde ebenfalls erschossen. Jetzt stehen die Waffenlobbyisten der NRA am Pranger wie seit Jahrzehnten nicht mehr.

Die NRA, die nach eigenen Angaben vier Millionen Mitglieder hat, forcierte die Spannung zudem mit einer überraschenden Erklärung. Die Organisation äußerte sich tief betrübt über das Massaker – und versprach durch „sinnvolle Beiträge (...) zu helfen, dass so etwas niemals wieder geschieht“. Millionen Amerikaner fragen sich: Haben die Waffen-Lobbyisten Kreide gefressen?

Zwar sind Anläufe, die laxen US-Waffengesetze zu verschärfen, in der Vergangenheit schon mehrfach gescheitert – nicht zuletzt, weil die NRA ihre Muskeln spielen ließ. Doch diesmal sei alles anders, meinen US-Kommentatoren. Die US-Medien spekulieren, dass sich einzelne Abgeordnete und Senatoren von der Lobby abwenden, von deren Unterstützung sie jahrelang profitiert hätten.

Zudem gibt sich Barack Obama diesmal fest entschlossen. Die „Washington Post“ spricht bereits von einem „bevorstehenden Showdown über Waffengesetze“. Das sind Töne, die in Washington lange nicht zu hören waren.

Dennoch bleibt die NRA eine der in Washington am meisten gefürchteten Lobbys“, warnt das Blatt. Der Jahresetat der Organisation betrage 200 Millionen Dollar (153 Millionen Euro). Millionen Menschen würden von der NRA beeinflusst.

Obama vermeidet denn auch tunlichst den Fehler, die NRA zu unterschätzen. Unmissverständlich stellte er klar, dass der Second Amendment, der Zweite Verfassungszusatz, der das Recht auf das Tragen von Waffen garantiert, nicht zur Disposition steht.

„Wie die Mehrheit der Amerikaner glaube ich, dass der Zweite Verfassungszusatz das individuelle Recht auf Waffentragen garantiert“, meint Obama. Ein Waffenrecht nach europäischen Muster, das den Kauf und Besitz von Waffen massiv beschränkt, ist in den USA schlichtweg undenkbar.

Obamas Strategie ist klar: „Die NRA ist eine Organisation, die Mütter und Väter hat“, meinte er auf Fragen eines Journalisten. Im Klartext: Obama setzt darauf, dass der Schock des Schulmassakers nachwirkt und jetzt auch diejenigen zum Umdenken bringt, die ansonsten strenge Waffengesetze ablehnen.

Vor allem die halbautomatischen Sturmgewehre sind im Visier – wie auch der Killer von Newtown eins benutzte. „Ein Sturmgewehr ist eine Waffe, die für militärische Zwecke entwickelt wurde“, schimpft die Senatorin Dianne Feinstein. „Es gehört nicht auf die Straßen unserer Städte.“ Auch Obama zielt auf das Verbot dieser Waffen ab. Von 1994 bis 2004 war der Verkauf dieser Waffen in den USA bereits verboten - doch unter der Präsidentschaft von George W. Bush wurde das Verbot nicht verlängert.

Doch Obama weiß nur zu gut: Gesetze allein helfen nicht. „Wir müssen genauer auf unsere Kultur schauen, die allzu oft Schusswaffen und Gewalt glorifiziert“. Feuerwaffen faszinieren die Amerikaner, Hollywood hat eine Vorliebe für waffenstrotzende Filmproduktionen - und historisch war die Landnahme der Neuen Welt durch die Siedler nur durch die Überlegenheit der Feuerwaffen möglich. Den Kampf gegen den Waffenwahn, meint Obama, „müssen wir in unseren Häusern und unserer Herzen beginnen“.