Norovirus oder ein Bakterium könnten Brechdurchfall bei 8400 Kindern ausgelöst haben. Welle der Erkrankungen ebbt ab.

Berlin. Es ist der bisher mit Abstand größte möglicherweise durch Lebensmittel bedingte Ausbruch einer Magen-Darm-Erkrankung in Deutschland. Zu dieser Schlussfolgerung kommt das Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin, nachdem knapp 8400 Kinder und Jugendliche sowie einige Lehrer nach dem Essen in Schulkantinen und Kindertagesstätten unter Durchfall und Erbrechen leiden.

Experten forschen nach der Ursache der Epidemie, die Ostdeutschland betrifft. "Die Behörden suchen mit Hochdruck nach dem Auslöser", sagte eine Sprecherin der Berliner Gesundheitsverwaltung. Eine Taskforce analysiert vor allem Proben von Essenslieferanten, Speiseplänen und Lieferwegen. Sie geht derzeit davon aus, "dass der Ausbruch nur durch ein kontaminiertes Lebensmittel bzw. eine Charge einer Lieferung ausgelöst wurde".

In Sachsen und Thüringen ist das hoch ansteckende Norovirus in 16 Fällen als Erreger nachgewiesen worden. "Ob es allerdings im Zusammenhang mit der aktuellen Häufung der Magen-Darm-Erkrankungen stehen oder allein der risikohafteren Jahreszeit geschuldet sind, ist unklar", sagte der Sprecher des thüringischen Gesundheitsministeriums. Bei der Bewertung dieser Ergebnisse sind die Behörden vorsichtig. Sie haben offenbar Lehren aus der zum Teil chaotischen EHEC-Krisenbewältigung gezogen, die im vergangenen Jahr 50 Tote gefordert hatte. 4000 Menschen waren betroffen.

Fachleute vermuten aber auch, dass es noch andere Ursachen für die Erkrankungswelle geben muss. Im Verdacht haben die Gesundheitsbehörden auch die Bakterienart Bacillus cereus, sagte Jürgen Ziegenfuß vom Landesamt für Lebensmittelsicherheit in Thüringen. Das Bakterium bildet Gifte aus, die hitzebeständig sind. In Thüringen wurde der Erreger seit Ausbruch der Krankheitswelle in zwei Laborproben nachgewiesen. "Für eine belastbare Aussage ist das aber zu dünn", sagte Ziegenfuß gestern.

Das RKI berichtete, als "mögliche Auslöser sind Norovirus oder Toxine von toxinbildenden Bakterien (zum Beispiel: Staphylococcus aureus, Bacillus cereus, Clostridium perfringens) in Betracht zu ziehen". Der Verlauf der meisten Erkrankungen ist laut Institut jedoch "kurz und unkompliziert. Es besteht kein Hinweis auf eine nennenswerte Anzahl von Sekundärinfektionen". Deshalb gehen die Behörden davon aus, dass die Erkrankungen zumeist nicht ansteckend sind.

Die gute Nachricht: Der Höhepunkt der Epidemie scheint überschritten. Das für Ernährung zuständige Bundesministerium geht davon aus, dass es "nach den vorliegenden Zahlen deutliche Anzeichen für Entspannung gibt", sagte Sprecher Holger Eichele. Am Wochenende sind aus Thüringen nur 123 neue Fälle bekannt geworden. Aus Berlin und Brandenburg gab es gestern keine neuen Erkrankungen. Von 23 Patienten, die im Krankenhaus behandelt werden mussten, konnten schon viele wieder entlassen werden.

Nach Angaben der Bundesländer wurden 342 Schulen und Kindergärten von einem gemeinsamen Lieferanten, dem Caterer Sodexo mit Hauptsitz in Rüsselsheim, über regionale Küchen mit Essen versorgt. Die Firma, die sich nicht für die Krankheitswelle verantwortlich sieht, wartet auf Laborergebnisse, die erst heute bekannt gegeben werden sollen. Bis dahin sei das Unternehmen unter anderem auf Ausschlussverfahren angewiesen. "Hierzu stecken wir tief in der Analyse von Speise- und Tourenplänen, Lieferwegen und Lieferprodukten", sagte ein Sprecher.

Die Epidemie traf besonders Sachsen. Mit 2800 Fällen wurden die meisten Erkrankungen registriert. Heute werden dort alle Schulen wieder geöffnet. 2415 Fälle waren in Brandenburg gemeldet, 2213 in Berlin, 887 in Thüringen, 50 in Sachsen-Anhalt.

Weitere Informationen: www.abendblatt.de/epidemie