Der Fall des Inzest-Täters Josef Fritzl ging heute in die nächste Verhandlungsrunde. Nachdem der erste Prozesstag gestern vor allem für Aufregung gesorgt hat, war der Tag heute den Emotionen gewidmet. Per Video wurden die Aussagen der Tochter gezeigt, wodurch sehr persönliche Details zur Sprache kamen. Die Öffentlichkeit war aus Rücksicht auf die Opfer erneut ausgeschlossen. Bilder zum Fall Amstetten. Bilder zum Prozess.

Sankt Pölten. Sie war 18 Jahre alt, als sie von ihrem Vater in ein feuchtes, fensterloses Kellerverlies gesperrt wurde. Heute ist die Tochter von Josef Fritzl bereits 42 Jahre alt, erst vor knapp einem Jahr wurde sie aus dem von ihrem Erzeuger gebauten Gefängnis befreit. Er raubte ihr 24 Jahre ihres Lebens, ihre Seele zerstörte er wohl komplett. Heute war dann der Tag gekommen, an dem sie gegen ihn, ihren eigenen Vater, aussagen konnte. Allerdings nur per Video, sie nutzte die Möglichkeit des Opferschutzes.

Die Medien mussten, wie bereits am Vortag, draußen bleiben. Während der Verhandlung waren zum Teil sehr persönliche Details besprochen worden, die bislang nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Daher ist es auch nach wie vor nicht bekannt, wie Fritzl auf das Video seiner Tochter reagiert hat. Sein Verteidiger, Rudolf Mayer, wollte sich nicht dazu äußern.

Sicher ist bereits jedoch, dass die heute 42-Jährige viel ertragen musste. Sie wurde von ihrem Vater nicht nur ausgesperrt, er verging sich auch mehr als tausend Mal an ihr. Zwischen 1988 und 2002 bekam sie ungewollt sieben Kinder von ihm, 1996 sogar Zwillinge. Eins von den beiden Kleinen stirbt unmittelbar zwei Tage nach der Geburt, Fritzl leistet keine Hilfe. Anstatt dessen verbrennt er das Baby im Heizofen. Letztes Jahr im April erkrankt ihre älteste Tochter dann so schwer, dass der Inzest-Täter es zulässt, dass die 19-Jährige in ein Krankenhaus gebracht wird. Schließlich werden alle "Gefangenen" aus dem Verlies befreit.

Das Fritzl-Drama war beendet, die Jagd der Paparrazzi hingegen eröffnet. Jeder wollte ein Foto von den "Kellerkindern". Es kursierten sogar Gerüchte, dass die Nachkommen, die im Verlies aufwuchsen, aussehen könnten wie Albinos. Doch die Opfer wurden in die Landesklinik Sankt Pölten gebracht, wo sie abgeschirmt und unauffällig auf das Leben nach der Gefangenschaft vorbereitet wurden.

Der Fall hatte international für Aufsehen gesorgt, die Menschen waren und sind noch immer schockiert über so viel Grausamkeit. Gestern, am ersten Prozesstag, waren 95 Journalisten aus der ganzen Welt für den Verhandlungsauftakt akkreditiert.

Fritzl betrat gegen 9.30 Uhr den Raum. Anders als auf dem Polizeifoto wirkte er alt und zittrig, die letzten Wochen hatten wohl auch ihm zugesetzt. Das Gesicht versteckte er hinter einem blauen Ordner, auf Fragen der Journalisten antwortete er nicht. "Er hat sich einfach geniert. Darum hat er nichts gesagt", erläuterte Anwalt Mayer, der noch am Morgen mit seinem Mandaten gesprochen hatte. Der Angeklagte habe am Montag nach dem ersten Verhandlungstag ein Gespräch mit einem Psychiater geführt und werde das auch nach dem zweiten Tag tun, sagte der stellvertretende Gefängnisleiter Erich Huber-Günsthofer. Zu der Betreuung des Angeklagten zählt auch die psychiatrische Begleitung während der Urteilsberatung der Geschworenen und nach der Urteilsverkündung. Außerdem habe man Vorkehrungen gegen einen möglichen Suizidversuch getroffen.

Der stellvertretende Gerichtspräsident, Franz Cutka, schloss nicht aus, dass das Urteil in dem aufsehenerregenden Prozess bereits an diesem Donnerstag gesprochen werden kann. Fritzl kann mit einer lebenslangen Haftstrafe rechnen, da er unter anderem wegen Mordes an dem einen Baby angeklagt ist. Bislang hat er bereits zugegeben, dass er des Inzestes, der Nötigung und der Freiheitsberaubung schuldig ist. Als Mörder oder Sklavenhändler sieht er sich selbst jedoch nicht. In diesen Anklagepunkten bekennt er sich für "nicht schuldig".