Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte seine Tochter verhungern ließ, um einen Konflikt mit seiner Frau zu vermeiden.

Nürnberg. Für den Hungertod der dreijährigen Sarah muss deren Vater 13 Jahre in Haft. Das Nürnberger Schwurgericht verurteilte den 30-jährigen Lastwagenfahrer aus dem fränkischen Thalmässing am Donnerstag wegen Mordes durch Unterlassen und Misshandlung von Schutzbefohlenen. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte seine Tochter verhungern ließ, um einen Konflikt mit seiner dominanten und aggressiven Frau zu vermeiden. Er habe den Zustand seiner Tochter sehr wohl erkannt und sich auch Sorgen gemacht, es aber dennoch unterlassen, ihr zu helfen, sagte der Vorsitzende Richter in seiner Urteilsbegründung. Noch eine Woche, bevor sie starb, hätte er Sarah durch einen Arztbesuch retten können. Dies habe der Angeklagte aber unterlassen und damit ihren Tod billigend in Kauf genommen.

Sarah war am 10. August 2009 in einer Nürnberger Klinik bis auf das Skelett abgemagert und ausgetrocknet an Kreislaufversagen gestorben. Das Verfahren gegen ihre ebenfalls wegen Mordes angeklagte Mutter war vor Prozessbeginn vorläufig eingestellt worden. Die 27-Jährige ist schwer an Krebs erkrankt und nicht verhandlungsfähig.

„Dieser Fall hat kaum jemanden unberührt gelassen“, sagte der Richter. Sarahs Leiden habe „zutiefst betroffen gemacht und schockiert“. „Was sind das für Eltern, die ihr Kind sehenden Auges verhungern lassen?“, fragte er. Wie könne so etwas mitten in der Gesellschaft passieren. Sarahs Leiden begann nach Überzeugung des Gerichts mit der starken Gewichtsabnahme ihrer Mutter im April 2009. Die 120 Kilogramm schwere Frau hatte damals binnen vier Monaten 50 Kilogramm abgenommen - teils gewollt, teils, weil sie, ohne es zu wissen, an Krebs erkrankt war.

Sie hörte in dieser Zeit auf, sich um ihre Tochter zu kümmern. Bereits an Sarahs drittem Geburtstag im Mai 2009 seien deutliche Anzeichen einer Unterernährung zu sehen gewesen. Dies habe Sarahs Vater auch erkannt. Statt aktiv zu werden und das Kind an den Wochenenden oder im Urlaub, wenn er zu Hause war, selbst zu versorgen, habe er es aber seinem Schicksal überlassen und seine Frau sogar noch dabei unterstützt, das Kind vor der Öffentlichkeit zu verstecken, schilderte der Richter.

Angst vor den Behörden

„Der Grund für dieses Verhalten ist unserer Überzeugung nach Angst“, sagte der Richter. Die Mutter, der bereits zwei Kinder aus erster Ehe genommen worden waren, habe befürchtet, jemand könnte den Zustand der kleinen Sarah erkennen und die Behörden informieren. Deshalb sperrte sie das Kind in seinem Zimmer ein und verleugnete es bei Nachfragen von Freunden oder Verwandten.

Die treibende Kraft hinter Sarahs Tod sei ganz klar ihre Mutter gewesen, betonte der Richter. Sie habe den Entschluss gefasst, Sarah verhungern zu lassen, um die schwere Misshandlung zu vertuschen. Und sie habe auch den Entschluss gefasst, das Kind zu verstecken. Ihr Mann habe sie dabei aber unterstützt. Und letztlich habe seine Tochter keinerlei Bedeutung mehr für ihn gehabt.

Mit seinem Urteil blieb das Gericht etwas unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die eine lebenslange Haft wegen Mordes gefordert hatte. Die Verteidigung hatte auf Körperverletzung mit Todesfolge plädiert und sieben Jahre Haft beantragt. Beide Seiten ließen es offen, in Revision zu gehen.