Sarah starb im Krankenhaus. Es gibt keine Anzeichen von Misshandlungen. Der ein Jahr ältere Bruder ist gesund.

Thalmässing. Es ist ein langsamer und qualvoller Tod. Und wieder scheint keiner den schleichenden Prozess bemerkt zu haben. Weder die Angehörigen, noch die Nachbarn oder das Jugendamt wollen etwas mitbekommen haben. Im Amtsdeutsch: "Gefährdungsmomente waren nicht erkennbar."

Und doch: Die dreijährige Sarah aus Thalmässing im Landkreis Roth (Mittelfranken) ist tot. Diagnose laut Obduktionsbericht: Mangel- bzw. Unterernährung, die aller Wahrscheinlichkeit nach zu Organversagen führten. Das ansonsten gesunde Mädchen, das keine Anzeichen anderer Misshandlungen zeigte, war stark abgemagert, als es am Sonnabend in ein Nürnberger Krankenhaus eingeliefert wurde. Den Notarzt hatten die Eltern alarmiert, nachdem sich der Gesundheitszustand ihrer Tochter rapide verschlechtert hatte. Doch auch die Versorgung in der Klinik konnte das Mädchen nicht mehr retten, es starb zwei Tage später. Am gleichen Tag wurde der 29 Jahre alte Vater des Kindes verhaftet. Nach Angaben der Polizei schweigt er zu den Vorgängen. Die Mutter liegt wegen einer Erkrankung auf der Intensivstation, wo sie von Polizeibeamten bewacht wird. Der Haftbefehl gegen die 26-Jährige soll erst später eröffnet werden. Ihr Zustand hat nichts mit Sarah zu tun.

Der gemeinsame Sohn des Paares (4) ist bei seinen Großeltern untergebracht und soll dort vorerst auch bleiben. Laut Polizeisprecher Peter Grimm ist er "vollkommen gesund". Grimm: "Es ist ein Rätsel, warum das Mädchen verhungern konnte und der Junge normal ernährt ist. Da stehen wir noch am Anfang unserer Ermittlungen." Diese werden sich unter anderem auch gegen das Jugendamt des Landkreises richten, das die Familie seit ihrem Zuzug Anfang 2005 betreute. Laut Manfred Korth, Leiter des Jugendamtes, sei die Familie über zwei Jahre hinweg zweimal pro Woche besucht worden. Dabei seien auch die Kinderzimmer inspiziert worden. Nachdem alle Zeichen für eine Stabilisierung der Familiensituation gesprochen hätten, seien die Besuche vor einigen Monaten eingestellt worden. "Der letzte Kontakt war im November 2008", sagte Korth. Er vermute, dass massive Veränderungen innerhalb der Familie zu der "ganz tragischen Geschichte" geführt hätten. Sarahs Tod bezeichnete er als "Gau" für sein Jugendamt.

Die Familie wohnte in einem zweigeschossigen Wohnhaus in der Ortsmitte von Thalmässing. Die Wohnung im ersten Obergeschoss wirkte gestern verlassen. Nachbarn schilderten die Mutter als ausgesprochen nett; ihnen sei nichts Besonderes an der Familie aufgefallen. Allerdings habe die Familie wenige Kontakte im Ort gepflegt, meist seien die Eltern nur mit dem Sohn auf der Straße gesehen worden.

Der tragische Tod des kleinen Mädchens erinnert an das traurige Schicksal von Lara aus Hamburg-Wilhelmsburg und Jessica aus Jenfeld. Lara war nur neun Monate alt geworden. Als sie am 11. März dieses Jahres in der Wohnung ihrer Eltern tot gefunden wurde, wog sie nur noch 4,8 Kilo. Jessica war wie berichtet im März 2005 in der Wohnung ihrer Mutter qualvoll verhungert - im Alter von nur sieben Jahren.