Auch Frankreichs Regierung setzt sich für den Künstler ein, der 1977 in den USA ein Mädchen vergewaltigt haben soll.

Zürich/Paris. "Er ist schockiert, aber bereit zu kämpfen und entschlossen, sich zu verteidigen." Das sagte Hervé Temime, Anwalt des in der Schweiz verhafteten Regisseurs Roman Polanski (76), gestern in Paris. Der Filmemacher wolle mit allen rechtlichen Mitteln gegen eine drohende Auslieferung an die USA kämpfen.

Die Verhaftung sorgte vor allem in Frankreich und Polen für Kritik und Empörung. Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner und sein polnischer Amtskollege Radek Sikorski forderten in einem Schreiben an US-Außenministerin Hillary Clinton und US-Präsident Barack Obama "Gnade für Polanski". Der französische Kulturminister Frédéric Mitterrand sagte, Polanski sei "den Löwen vorgeworfen" worden. Viele Stars wie der polnische Oscarpreisträger Andrzej Wajda (83), die Schauspielerinnen Monica Bellucci (44) und Fanny Ardant (60) unterzeichneten eine Petition für die Freilassung des Regisseurs von Filmen wie "Der Pianist", "Chinatown" und "Rosemary's Baby".

Berlinale-Chef Dieter Kosslick und Studio Babelsberg forderten ebenfalls eine sofortiges Ende der Auslieferungshaft . "Die Internationalen Filmfestspiele Berlin protestieren gegen die willkürliche Behandlung Roman Polanskis", erklärte Kosslick.

Ähnlich äußerten sich die Präsidentin der Deutschen Filmakademie, Senta Berger (68), und Babelsberg-Vorstand Christoph Fisser. Studio Babelsberg koproduzierte sowohl Polanskis Oscar-prämierten Streifen "Der Pianist" als auch sein neues Werk "The Ghost" mit Pierce Brosnan (56).

Hintergrund für Polanskis Verhaftung auf dem Flughafen Zürich bei der Einreise in die Schweiz ist ein US-Haftbefehl von 1978. Polanski wird beschuldigt, in den USA 1977 ein 13-jähriges Mädchen sexuell missbraucht zu haben. Warum die USA die Verhaftung ausgerechnet jetzt veranlassten, ist unklar. Der französische Staatsbürger Polanski besucht die Schweiz regelmäßig und besitzt im Wintersportort Gstaad im Berner Oberland sogar ein Ferienhaus. Ursprünglich sollte Polanski am Sonntag auf dem Zürcher Filmfestival mit einem Preis für sein Lebenswerk geehrt werden.

Polanski kann in der Schweiz gegen die drohende Auslieferung juristisch vorgehen. Die USA haben bis zu 60 Tage Zeit, um einen Auslieferungsantrag zu stellen. Sein Schweizer Anwalt Lorenz Erni will versuchen, seinen berühmten Mandanten auf Kaution freizubekommen. "Das ist nicht ganz ausgeschlossen, aber an strenge Voraussetzungen geknüpft", sagte ein Justizsprecher.

Die Schweizer Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf verteidigte die Aktion: "Wir hatten gar keine andere Wahl, als diesen Haftbefehl zu vollstrecken. Die Schweiz hat rein rechtsstaatlich gehandelt. In unserem Land werden alle Menschen gleich behandelt." Sie verstehe nicht, dass Künstler, die sonst immer die Moral sehr hochhielten, in diesem Fall anders reagieren.

Mit den jüngsten Ereignissen droht sich die bisherige dramatische Biografie des Oscar-Preisträgers fortzusetzen. 1969 war Polanskis schwangere Frau, die Schauspielerin Sharon Tate (* 28), von Anhängern des US-Sektenführers Charles Manson ermordet worden. Der Vergewaltigungsskandal um die damals 13-jährige Samantha Geimer verfolgt Polanski bereits seit 32 Jahren. Er hatte als 43-Jähriger der Anklage zufolge das Mädchen mit Alkohol und Drogen gefügig gemacht und mit ihm Geschlechtsverkehr gehabt. Nach 42 Tagen im Gefängnis legte Polanski ein Geständnis ab. Kurz vor seiner Verurteilung floh der Regisseur jedoch aus den USA. Sein damaliges Opfer hat ihm mittlerweile verziehen und in einem zivilrechtlichen Verfahren eine Entschädigung in unbekannter Höhe erhalten.