William Lynn habe den Schutz seiner Kirche über den der Opfer gestellt und weggeschaut, als pädophile Priester Familien zerstörten, so die Richterin.

Philadelphia. Ein früherer Personalverantwortlicher des Erzbistums Philadelphia ist wegen Vertuschung von sexuellem Missbrauch zu mehreren Jahren Haft verurteilt worden. William Lynn habe den Schutz seiner Kirche über den der Opfer gestellt, erklärte Richterin M. Teresa Sarmina laut US-Medienberichten bei der Urteilsverkündung am Dienstag (Ortszeit). Der 61-jährige Lynn muss demnach zwischen drei und sechs Jahren in Haft. Er ist der erste hochrangige Kleriker, der sich vor einem US-Gericht wegen des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche verantworten musste. Opfervertreter begrüßten den Berichten zufolge den Schuldspruch. Das Erzbistum sprach von einem „harten“ Urteil.

Richterin Sarmina sagte, Lynn, seit 1992 Personalchef des Erzbistums, habe „Monster im Klerikergewand“ geschützt und weggeschaut, als pädophile Priester Familien zerstörten und die katholische Kirche erschütterten. Sie glaube zwar, dass Lynn einmal der selbstlose Pfarrer gewesen sei, als die seine Verteidiger ihn beschrieben. Als Mitarbeiter des damaligen Erzbischofs Kardinal Anthony Bevilacqua habe er jedoch die Institution Kirche mehr geschützt als die Opfer. Lynn habe gewusst, was recht ist, aber „das Falsche gewählt“, sagte die Richterin laut der Tageszeitung „Philadelphia Inquirer“.

Lynn hielt in seiner Entgegnung daran fest, sein Bestes getan, aber nur begrenzte Einflussmöglichkeiten gehabt zu haben. „Mein Bestes war nicht gut genug, und das tut mir aufrichtig leid“, zitiert ihn der „Philadelphia Inquirer“. Das Erzbistum Philadelphia erklärte in einer am Dienstag verbreiteten Stellungnahme, eine faire Betrachtung wecke Zweifel an der Strenge der Bestrafung. Das Strafmaß müsse „objektiv überprüft“ werden. Zugleich lehre die „öffentliche Demütigung der Kirche“, dass sie beim Schutz der Kinder wachsam bleiben müsse. Die Diözese habe bereits drastische Schritte dazu unternommen.

Ein Geschworenengericht hatte Lynn am Sonntag für schuldig gesprochen, einen wegen sexuellen Missbrauchs beschuldigten Priester in den 90er Jahren nicht aus dem Dienst entfernt zu haben. Der Geistliche Edward Avery verging sich später an einem zehnjährigen Messdiener. In zwei anderen Anklagepunkten wurde Lynn freigesprochen. Dazu zählte der Vorwurf einer gemeinschaftlichen Kindesgefährdung durch Absprachen mit anderen Leitungsverantwortlichen. Das Angebot einer Kaution lehnte die Richterin laut „Philadelphia Inquirer“ wegen Fluchtgefahr ab.

Lynn stand seit Ende März unter dem Vorwurf der Gefährdung von Kindern und Vertuschung von Missbrauchsdelikten vor Gericht. Seit 1992 war er Sekretär für den Diözesanklerus und damit in Personalfragen für 800 Priester zuständig. Eine zentrale Rolle in dem Prozess spielt eine Liste mit 35 des Missbrauchs beschuldigten Geistlichen, die Lynn laut eigenem Bekunden nach Durchsicht von Personalakten 1994 angefertigt und an Kardinal Bevilacqua weitergeleitet hatte. Dieser habe angeordnet, das Dokument zu vernichten. Im Februar tauchte eine Kopie auf, kurz nach Bevilacquas Tod im Januar. (KNA)

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