Als seine Wohnung zwangsgeräumt werden soll, nimmt der Täter vier Geiseln, tötete sie und sich selbst. Ermittler sprechen von geplanter “Hinrichtung“.

Karlsruhe. Die Karlsruher Bluttat mit fünf Toten war nach Angaben der Ermittler eine geplante, "regelrechte Hinrichtung". Der Täter, ein 53 Jahre alter Mann aus dem Raum Karlsruhe, habe bei der Zwangsräumung der Wohnung vier Menschen ermordet und sich dann selbst erschossen, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft mit. Den Ermittlungen zufolge hatte der Mann am Mittwochmorgen einen 47 Jahre alten Gerichtsvollzieher und einen 33 Jahre alten Schlüsseldienst-Mitarbeiter in die Wohnung gelassen und zunächst als Geiseln genommen.

Ums Leben kamen auch der neue Wohnungsinhaber im Alter von 49 Jahren, der später an der Tür klingelte, und die 55-jährige Wohnungseigentümerin und Lebensgefährtin des Täters. Die Opfer starben an Schussverletzungen. Nur ein Sozialarbeiter konnte entkommen. Er blieb unverletzt.

Ein Spezialeinsatzkommando stürmte nach knapp dreistündiger Geiselnahme die Wohnung. Da waren die Opfer aber schon tot. Das schreckliche Ende einer Wohnungsräumung im fünften Stock eines Blocks in der Nordstadt.

Nach ersten Ermittlungen könnte sich die Tat folgendermaßen abgespielt haben: Um kurz vor neun klingelt der Gerichtsvollzieher an der Wohnungstür. In seiner Begleitung sind, wie in solchen Fällen üblich, ein Schlosser und ein weiterer Zeuge, wahrscheinlich der Wohnungsbesitzer. Die Identität der Opfer muss die Polizei noch klären.

Ein Mann, der offenbar in der Wohnung lebt, öffnet die Tür und lässt die Männer herein. Kurz darauf fallen Schüsse. In den Räumen hält sich auch noch eine Frau auf, möglicherweise die Partnerin des Mannes und Mieterin der Wohnung. Sie wird später auch erschossen gefunden. Dies gibt den Ermittlern Rätsel auf.

Die Polizei rückt kurz nach den Schüssen mit einem Großaufgebot an. Die Nordstadt, erst 1996 nach dem Umbau ehemaliger US-Kasernen entstanden, ist eine beliebte Wohngegend für Familien. Aus den Soldatenquartieren sind bezahlbare Wohnungen im Grünen entstanden. Die Beamten sperren die Gegend weiträumig ab, was zu eigenartigen Situationen führt. Denn innerhalb des Geländes können sich die Anwohner frei bewegen, doch hinein kommt niemand.

"Ich muss zum Arzt", bettelt eine Seniorin einen Polizisten an, der ihr den Weg versperrt. "Das geht jetzt nicht", erklärt er bestimmt. "Aber da hinten läuft doch auch jemand", insistiert sie - vergeblich.

Ein älterer Mann, der den Bürgersteig entlang schlendert, weiß noch gar nicht, was sich gerade in seiner Nachbarschaft abspielt. Als er es erfährt, will er schnell nach Hause. "Das muss ich nicht haben", sagt er. Er darf passieren, weil seine Wohnung etliche Seitenstraßen vom Tatort entfernt liegt. Andere Anwohner, die dringend in das Areal müssen, werden von der Polizei eskortiert.

Die Beamten räumen drei Wohnblocks in der unmittelbaren Nachbarschaft. Ein Gymnasium wird zugeschlossen, Kinder und Lehrer werden aufgefordert, die Räume nicht zu verlassen. Währenddessen bezieht das Spezialeinsatzkommando Position. Die Männer sind maskiert, zum Teil mit Helm und Schild geschützt. Über dem Gelände kreist in großer Höhe ein Hubschrauber, nur leise ist sein Rotor zu hören. In Seitenstraßen gehen etliche Rettungsfahrzeuge in Position.

Irgendwann zwischen elf und zwölf Uhr schlagen die Einsatzkräfte zu, weil Rauch aus der Wohnung kommt. Der Täter hatte offenbar einen Teppich angezündet. Ob die Polizei zuvor mit dem Geiselnehmer sprechen konnte, ist zunächst nicht bekannt.