Inzwischen nutzen 4,4 Millionen Deutsche den 140-Zeichen-Dienst. Freunde, Promis und Events ziehen die Neu-Zwitscherer auf die Internetplattform.

Berlin. Lady Gaga, Cristiano Ronaldo, Peter Altmaier: Viele Promis und Politiker nutzen nahezu täglich Twitter und teilen der Welt da draußen mit, was sie beschäftigt. Doch die Online-Gesellschaft ändert sich: Die 140-Zeichen-Nachrichten im Netz zwitschern zunehmend auch Menschen wie du und ich. Um 37 Prozent stiegen die deutschen Nutzer-Zahlen im Mai im Vergleich zum Vorjahr. Twitter mausert sich vom Medium für Freaks und Neugierige zum breiten Kommunikationskanal, meinen Experten. Vor allem zu Großereignissen, wie der Fußball-EM, steigt die Zwitscher-Dichte.

Wenn die deutsche Fußball-Nationalmannschaft spielt, ist nicht nur die Fernseh-Welt aus dem Häuschen. Auf Twitter drehen sich die zehn häufigsten Begriffe dann ausschließlich um den Fußball, hat der Programmierer und Twitter-Experte Thomas Pfeiffer beobachtet. „Beim EM-Spiel Deutschland gegen die Niederlande war „Müllabfuhr“ unter den Top 10.“ Der Grund: Tweets wie „Orange ist bei uns nur die Müllabfuhr.“

4,4 Millionen Deutsche gehen inzwischen auf Twitter, hat der Messungsdienstleister Comscore ermittelt. Das sind 1,2 Millionen mehr als noch im Jahr zuvor – Zahlen, die den neuen Deutschland-Chef Rowan Barnett freuen dürften. Weltweit hatte Twitter im März etwa 140 Millionen aktive Nutzer.

„Großereignisse, wie Fußball-Meisterschaften oder eine Bundestagswahl, sind für Twitter ein Segen“, meint Pfeiffer. Ein Zeichen dafür ist Ex-Fußball-Nationaltorhüter Oliver Kahn. Er bekam zu Beginn der Europameisterschaft live im Fernsehen seinen Twitter-Account @OliverKahn eingerichtet. Sein erster noch hoffnungsvoller Tweet: „wir werden #europameister!!!“ Und auch Sportfunktionär Franz Beckenbauer hat mit seinen 66 Jahren das Zwitschern für sich entdeckt und auf einen Schlag über 10 000 Follower für sich gewonnen.

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Angefangen hatte alles im Jahr 2006 mit Marketing-Experten, Medienprofis und Politikern. „Für viele war Twitter ein neuer Schub für die Imagepflege“, sagt der Soziologe Jan-Hinrik Schmidt vom Hans-Bredow-Institut Hamburg. Die Plattform sei reizvoll, weil sich so die Selbstdarstellung kontrollieren lasse – und Botschaften ohne Werbung und vorbei an Journalisten ermögliche.

Inzwischen wollen sich auch immer mehr Privatleute eine „eigene persönliche Öffentlichkeit“ zu schaffen, wie es Schmidt nennt. Sie nehmen sich die Accounts ihrer Lieblingspromis oder ihrer Freunde als Vorbild und probieren das Zwitschern aus. „Sie twittern über Fußball oder über den Tatort von der Couch aus“, sagt Pfeiffer. Ein Grund für die höheren Nutzerzahlen.

Die privaten Twitterer wollen mit ihren Tweets allerdings nicht die ganze Welt erreichen, meint der Experte. Sondern eher ihre Freunde und Bekannte – wie ein halb-öffentliches Online-Tagebuch.