Rhein legt bei Bingen wegen Niedrigwasser weitere Bombe frei. In Koblenz beginnen Evakuierungen im Vorfeld der großen Bombenentschärfung.

Koblenz. Vor der großen Bombenentschärfung in Koblenz haben Helfer den Bau eines provisorischen Damms um die Luftmine im Rhein größtenteils abgeschlossen. "Wir haben die Mine umschlossen“, sagte Thomas Weckop vom Wasser- und Schifffahrtsamt Bingen am Donnerstag. Große Sandsäcke - sogenannte "Big Bags“ - seien nun u-förmig um das explosive Überbleibsel aus dem Zweiten Weltkrieg gelegt. Am Sonntag soll die riesige Fliegerbombe entschärft werden, Zehntausende müssen deshalb stundenlang ihren Wohnungen fernbleiben.

Teilweise rage der Damm einen Meter aus dem Wasser, sagte Weckop. Am Freitag soll testweise das Wasser aus dem Raum zwischen den Säcken gepumpt werden. Die Bombe kann nur dann entschärft werden, wenn sie im Trockenen liegt. In Bingen entdeckten derweil Mitarbeiter des Wasser- und Schifffahrtsamtes nahe des Mäuseturms im Rhein im Schlick eine weitere Bombe, sie sich aber als harmlos herausstellte.

Es habe sich um eine 50 Kilogramm schwere US-Fliegerbombe gehandelt, sagte ein Polizeisprecher. "Die Zünderplatte mit dem Zünder war aber nicht mehr vorhanden, so dass keine Gefahr gegeben war.“ Der Kampfmittelräumdienst habe die rund 50 Zentimeter lange Bombe aus dem Wasser geholt und abtransportiert. Straßen oder den Schiffs- und Bahnverkehr musste die Polizei in Bingen nicht sperren.

Etwa 70 Kilometer rheinabwärts in Koblenz soll die Verlegung von stationär untergebrachten Patienten in zwei Krankenhäusern der Sperrzone am Sonnabend anlaufen, wie die Stadt mitteilte. Bereits am Vortag hatten Helfer damit begonnen, erste Patienten aus Intensivstationen zu verlegen.

Unterstützt wird die Aktion auch vom Bundeswehrzentralkrankenhaus in Koblenz. Dieses werde insgesamt neun Patienten aus Intensivstationen sowie rund 70 stationär untergebrachte Kranke und 70 weitere pflegebedürftige Menschen aufnehmen, teilte das Sanitätskommando der Bundeswehr in Diez mit. Die Zahl der Ärzte im Bereitschaftsdienst werde für dieses Wochenende verdoppelt.

Feuerwehrsprecher: "Die Bombe liegt stabil"

Experten versicherten derweil, dass von der großen Luftmine im Rhein bei Koblenz vor der Entschärfung keine Gefahr ausgeht. "Die Bombe liegt stabil“, sagte Feuerwehrsprecher Norbert Gras. Der Uferabschnitt auf Höhe der 1,8 Tonnen schweren britischen Bombe sei abgesperrt. "Außerdem müssen Schiffer die Stelle langsam passieren, damit es keinen Sog oder Wellenschlag gibt“, sagte Gras. Der Schwimmkran "Atlas“ liege darüber hinaus vor der Bombe und halte Wellen ab. "So sicher hat die Bombe wohl seit ihrem Abwurf nicht gelegen.“

Der Kampfmittelräumdienst gehe bisher von einer problemlosen Entschärfung am Sonntag aus. "Die Zünder sind in einem relativ guten Zustand“, sagte Gras. Da die Bombe aus Stahl und die Zünder aus Messing seien, dürfte es auch keine Probleme mit Korrosion geben. Bislang ist vorgesehen, am Sonntag um 15 Uhr mit der Entschärfung dieser Bombe sowie einer kleinere US-Bombe und eines Nebelfasses zu beginnen. Zuvor müssen bis 9 Uhr rund 45.000 der 106.000 Koblenzer in einer Sperrzone im Umkreis von 1,8 Kilometern zu dem Überbleibsel aus dem Zweiten Weltkrieg ihre Häuser räumen. Es ist die größte Evakuierung wegen einer Bombenentschärfung nach dem Zweiten Weltkrieg.

Innenminister warnt vor Katastrophentourismus

Bislang läuft die Evakuierung mehrerer Stadtteile planmäßig. Die Räumung zweier Krankenhäuser habe bereits begonnen, sagte eine Sprecherin des Technischen Hilfswerks (THW) am Donnerstag. Bis zum Sonntag werde es noch einige Transporte von Patienten aus der Intensivstation geben.

Evakuiert wird neben zwei Kliniken und sieben Altenheimen auch ein Gefängnis. Die etwa 200 Häftlinge werden laut Gefängnisleitung in andere Justizvollzugsanstalten in Rheinland-Pfalz gebracht. Bei der größten Evakuierungsmaßnahme der Stadtgeschichte seien bisher 2.200 Helfer im Einsatz, am Sonntag selbst werden es mindestens 2.500 sein, sagte die THW-Sprecherin.

Der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) appellierte unterdessen an die Bevölkerung, sich von der Bomben-Fundstelle in Koblenz fernzuhalten. "Es darf nicht sein, dass sogenannte Katastrophentouristen sich und andere in Gefahr bringen“, sagte der Minister laut einer Mitteilung in Mainz.

Lautsprecherdurchsagen warnen Anwohner

Den Angaben der THW-Sprecherin zufolge wurden Handzettel verteilt, am Tag der Entschärfung werden zusätzlich Lautsprecherwagen durch die betroffenen Straßen fahren. Zudem wurde ab 6.30 Uhr ein "Evakuierungs-Shuttle“ eingerichtet, der die betroffenen Menschen in eine der sieben Notunterkünfte bringt. Bis dahin gebe es täglich eine Lagebesprechung der verschiedenen Einsatzkräfte.

Wegen der Entschärfung muss auch mit erheblichen Verkehrsbehinderungen gerechnet werden. So muss der Koblenzer Hauptbahnhof bis 8 Uhr geräumt sein. Ab dann halten dort keine Züge mehr, wie die Bahn mitteilte. Auch die Fernzüge von Luxemburg nach Norddeich fahren Koblenz nicht mehr an und enden in Trier beziehungsweise Köln.

Wenn die Menschen die Stadtteile verlassen haben, soll der Kampfmittelräumdienst die Luftmine mit drei Zündern aus dem Zweiten Weltkrieg im Rhein entschärfen. Derzeit wird mit rund 350 überdimensionalen Sandsäcken mit einem Gewicht von jeweils einer Tonne ein Damm im Wasser aufgeschichtet. Bis zum Sonntag soll die Mine, die etwa 40 Zentimeter unter der Wasseroberfläche liegt, dann trockengelegt werden. Beseitigt werden müssen auch ein Tarnnebelfass und ein 125 Kilogramm schwerer amerikanischer Blindgänger, die neben der Mine liegen.

Mit Material von dpa und dapd