Deutsch-französischer Justizkrimi zu Ende. Vater des Opfers hatte den Arzt entführt

Paris. Trost gibt es keinen, obwohl der deutsch-französische Justizkrimi nun zu Ende ist. Der Arzt Dieter K., 76, ist in Paris wegen des Todes der damals 14-jährigen Kalinka Bamberski vor fast 30 Jahren zu 15 Jahren Haft verurteilt worden. Zudem soll er insgesamt 400 000 Euro an Hinterbliebene zahlen. Ein Geschworenengericht befand den Deutschen der vorsätzlichen Körperverletzung mit Todesfolge für schuldig. Das Urteil setzt den Schlusspunkt unter den erbitterten Zweikampf zweier Männer, der sogar die deutsch-französischen Beziehungen belastet hatte.

Der Vater des Opfers, André Bamberski, ist heute 74 Jahre alt und hat Jahrzehnte mit dem Versuch verbracht, seiner Tochter Gerechtigkeit zu verschaffen. In seiner Verzweiflung verstieß er selbst gegen das Gesetz.

Am Morgen lag Kalinka angeblich leblos in ihrem Bett

In den Sommerferien 1982 war Bamberskis damals 14 Jahre alte Tochter Kalinka zu Besuch im Hause ihres Stiefvaters Dieter K. in Lindau am Bodensee. Der Arzt lebte dort mit Kalinkas Mutter, mit der Bamberski bis 1975 verheiratet war. Am Morgen des 10. Juli 1982, so würde K. später behaupten, habe er seine Stieftochter tot in ihrem Bett gefunden. Am Vorabend habe das sportliche Mädchen sich unwohl gefühlt und anscheinend an einem Sonnenstich gelitten, deshalb habe er ihm ein Eisenpräparat gespritzt. Nachdem er Kalinka leblos aufgefunden habe, habe er ihr am nächsten Morgen weitere Injektionen gesetzt, um sie wiederzubeleben.

Die deutschen Behörden schenkten dieser Darstellung zunächst Glauben, obwohl an der Leiche des Mädchens Verletzungen im Genitalbereich festgestellt wurden. Eine zweifelsfreie Todesursache wurde nie festgestellt.

André Bamberski verlangte weitere Untersuchungen, er war überzeugt, dass K. seine Tochter betäubte, um sie sexuell zu missbrauchen und dann tötete. 1984 erstattete er in Frankreich Anzeige. Elf Jahre später verurteilte ein Pariser Gericht den Deutschen in Abwesenheit wegen "Gewalthandlungen mit Todesfolge" zu 15 Jahren Gefängnis. Da der Europäische Gerichtshof Urteile in Abwesenheit ohne Anwaltsvertretung jedoch nicht akzeptiert, wurde dieses Urteil niemals rechtskräftig.

Der Fall schien beinahe in Vergessenheit zu geraten, da wurde K. 1997 in einer anderen Sache in Deutschland vor Gericht gestellt: Er hatte in seiner Praxis eine 16 Jahre alte Patientin betäubt und vergewaltigt. André Bamberski versuchte in Frankreich weiter, K. wegen des Todes seiner Tochter vor Gericht zu belangen. Er erreichte, dass Frankreich einen europäischen Haftbefehl gegen den Deutschen ausstellte. Deutsche Justizbehörden lehnten seine Auslieferung jedoch ab.

Im Oktober 2009 ließ Bamberski K. in seinem Haus bei Lindau von zwei Komplizen entführen und über die französische Grenze bringen. Vor dem Gerichtsgebäude von Mulhouse ließ er den Arzt gefesselt und geknebelt ablegen. Bamberski erwartet ein Prozess, ja sogar eine mehrjährige Haftstrafe. Das ist ihm egal. Denn das Ziel seines Lebens hat er erreicht: Gerechtigkeit. "Jetzt kann ich endlich um Kalinka trauern", sagte er.