1941 wurde der Frachter “Gairsoppa“ vor Irland versenkt. Seine Ladung wird auf 170 Millionen Euro geschätzt. Jetzt soll sie gehoben werden.

Dublin. Dem Schiff ging es wie einem fußlahmen Gnu, das seine Herde verlor und schutzlos den Löwen ausgesetzt ist. Eigentlich war das 5237-Tonnen-Dampfschiff "Gairsoppa" Teil eines großen Konvois, der im Februar 1941, mitten im Krieg, unter Geleitschutz von zwei Kriegsschiffen auf dem Atlantik unterwegs war. Kurs britische Heimat. Doch westlich von Irland gingen die Kohlevorräte der "Gairsoppa" zur Neige, am 14. Februar verschlechterte sich dann das Wetter. Kaum halbe Kraft war noch drin, der Kapitän ließ den irischen Hafen Galway ansteuern.

Die 83 Besatzungsmitglieder waren sich im Klaren über die Gefahr durch deutsche U-Boote in diesen Gewässern. Hitler hatte die britische Blockade Deutschlands mit einer Gegenblockade beantworten lassen. Zwei Tage noch herrschte Hoffnung auf der "Gairsoppa". Nur noch 300 Meilen nach Galway waren es, als am 17. morgens die Dämmerung begann. Als um acht Uhr aber ein Luftaufklärer des Typs Focke-Wulf 200 über dem Schiff kreiste, war an Bord jede Illusion verschwunden. Am Abend desselben Tages noch riss ein Torpedo des Unterseebootes 101 ein gewaltiges Loch in die Breitseite des Dampfschiffes, das innerhalb einer halben Stunde auf den Meeresgrund sank. Ein Großteil der Crew hatte sich in drei Boote retten können. Ob U-Boot-Kommandant Ernst Mengersen den Abschussbefehl gegeben hätte, wenn ihm klar gewesen wäre, was in den Frachträumen des gegnerischen Schiffes gebunkert war? Ob er womöglich andere Boote herbeigerufen hätte, um die Fracht zu übernehmen?

Nach dem Krieg drehte sich die Debatte darüber, bei welchen der versenkten Schiffe eine Bergung wohl lohnenswert sei, schnell auch um die "Gairsoppa". Zwar war bald klar, dass das Schiff in einer lange Zeit unerreichbaren Tiefe von 4700 Metern liegt. Zum Vergleich: Die berühmte "Titanic" liegt etwa 4000 Meter tief. Es war aber auch bekannt, dass die "Gairsoppa" 240 Tonnen Silber aus Indien nach London transportieren sollte, eine Menge, für die man damals 600 000 Pfund Sterling bezahlen musste. Heute hätte der Schatz - trotz des derzeit so heftigen Kurseinbruchs auf dem Silbermarkt - den immensen Wert von 170 Millionen Euro.

Inzwischen können wir sagen: hat, nicht mehr hätte. Das US-amerikanische Schatztaucherunternehmen Odyssey Marine Exploration gab bekannt, man habe die "Gairsoppa" mit einem Tauchroboter auf dem Meeresgrund aufgespürt und identifiziert, anhand des Einschussloches und anhand der Ladeluken. Noch allerdings habe der scharfe Blick des Roboters nicht herausfinden können, wo genau das Silber in dem Wrack gelagert ist, noch sei man lediglich auf eine immense Zahl an Kisten mit Darjeeling-Tee gestoßen. Das Silber dürfte darunter liegen.

"Einige Leute mögen sich über die potenzielle Komplexität einer Bergung aus solcher Tiefe wundern, aber wir haben bereits eine ausführliche Analyse der besten Werkzeuge und Techniken, um diese Operation auszuführen, unternommen und sind sehr zuversichtlich", sagte Odyssey-Chef Greg Stemm. Dass ein anderes, illegales Bergungskommando Odyssey zuvorgekommen sei, gilt als unwahrscheinlich. Die Versuchung für Raubtauchunternehmen ist allerdings beträchtlich.

Nicht allein wegen der Werte, die in den versenkten Schiffen schlummern, sondern auch wegen der bisweilen ungeklärten Besitzverhältnisse nach erfolgreicher Schatzsuche. Odyssey Marine Exploration selbst hatte vor gut vier Jahren den Fund eines Schatzes vor der Küste Portugals gemeldet: Gold- und Silbermünzen aus einer spanischen Galeone mit einem Schätzwert von 370 Millionen Euro. Erst kürzlich aber befand ein US-Gericht, dass Odyssey den gesamten Schatz an die spanische Regierung abliefern müsse. Fund vergebens, Bergung vergebens.

Im Fall der "Gairsoppa" geht das Unternehmen davon aus, dass ihm vier Fünftel des Silbers zustehen. So sieht es auch die britische Regierung, die das restliche Fünftel kassieren will und unter diesen Bedingungen Odyssey den Zuschlag für Suche und Hebung gab. Das Unternehmen musste dafür das volle Risiko eines Fehlschlags übernehmen. Wie üblich hatte London den Auftrag unter mehreren Bergungsfirmen "versteigert", und dieses Mal dürfte Odyssee keine rechtlichen Probleme bekommen. Gut 40 Prozent der Silberfracht gehörten damals der Regierung, er war nicht versichert, die Regierung übernahm das Risiko für ihren Anteil. Knapp 60 Prozent waren im Privatbesitz. Für sie hatte London - als Schiffseigner - die Versicherungskosten übernommen. Und somit auch das Recht, über den gesamten wiedergefundenen Schatz zu befinden.

Warum so viel Silber an Bord der "Gairsoppa" war, ist nicht ganz klar. Eine Sprecherin von Odyssey sagte, es könnte sich um Steuerzahlungen aus Indien handeln. Die "Gairsoppa" war seit 1919 im Einsatz und die Tour von und nach Indien regelmäßig gefahren. Sie wurde nach gleichnamigen Wasserfällen im Südwesten Indiens benannt.

Von der Besatzung der "Gairsoppa", die sich in die Boote hatte retten können, kamen seinerzeit nur drei Mann an der irischen Küste an. Zwei von ihnen starben beim Versuch, an Land zu gehen. Nur einer überlebte. Er starb 1992 in Cornwall. U-Boot-Kommandant Mengersen kam am 9. Mai 1945 in britische Gefangenschaft und wurde Anfang 1946 entlassen.