In München herrscht wieder Ausnahmezustand: Das Oktoberfest hat begonnen. Bier und Tracht prägen nun für zwei Wochen das Leben in Bayern.

München. Das Bier fließt in Strömen, die Massen drängen in Dirndl und Lederhose in überfüllte Zelte: In München hat das 178. Oktoberfest begonnen. Nach einem fulminanten Start bei strahlend blauem Himmel am Samstag fiel der Sonntag ins Wasser. Beim Trachten- und Schützenumzug zogen rund 9000 Trachtler bei strömendem Regen zur Theresienwiese. Die Zahl der Wiesn-Besucher am ersten Wochenende blieb nach Schätzungen der Festleitung unter einer Million und auch der Bierkonsum ging im Vergleich zu anderen Jahren zurück: Weniger als eine Million Maß rannen durch durstige Kehlen. Die Gäste aßen auch weniger. Trotzdem wurden noch neun ganze Ochsen verspeist.

Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) hatte das größte Volksfest der Welt am Samstag um zwölf Uhr mit dem traditionellen „O'zapft ist“ eröffnet. Wieder brauchte er nur zwei Schläge, um das erste Fass Bier anzuzapfen. Die erste frisch gezapfte Maß reichte er dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU), um mit ihm fröhlich auf eine friedliche Wiesn anzustoßen. Ude will bei der Landtagswahl 2013 gegen Seehofer antreten, die Wiesn gilt jedoch als politikfreie Zone.

In festlich geschmückten Kutschen fuhren Seehofer und Ude am Sonntag mit ihren Frauen beim Trachtenzug mit. Trotz teils wolkenbruchartiger Regengüsse lächelten und winkten die Trachtler aus Deutschland, Italien, Österreich, Polen und der Schweiz den Zuschauern tapfer zu. Teils mit Regenschirmen ausgerüstet oder in Plastikumhänge gehüllt liefen sie zum Festgelände. Manche Musiker packten auch ihre Instrumente zum Regenschutz in Plastik. Hoch zu Ross führte das Münchner Kindl den Zug an. Mehr als 40 bunt geschmückte Wagen, darunter Pferde-Prachtgespanne der Brauereien und ein Ochsengespann, begleiteten die Landsknechte, Fahnenschwinger, Goaßlschnalzer, Gebirgsschützen und Musikkapellen.

Bei strahlendem Sonnenschein waren zuvor am Sonnabend mindestens eine halbe Million Menschen zur Theresienwiese gekommen, „vielleichtsogar mehr“, wie Festleiterin Gabriele Weishäupl schätzte. Die ersten kamen vor 06.00 Uhr früh. Junge Besucher tranken im Morgengrauen vor den Zelten - das sogenannte Vorglühen sei ein „besorgniserregender Trend“. „Es scheint auch schon Event zu sein, sich im Dunkeln auf der Theresienwiese zu treffen“, sagte Weishäupl.

Die erste Bierleiche gab es schon drei Stunden vor der offiziellen Eröffnung des Volksfestes: Ein 20-Jähriger schaffte es nicht einmal ins Bierzelt, sondern brach beim Warten auf den Einlass gegen 09.00 Uhr alkoholisiert zusammen. Die Helfer der Sanitätsstation des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) mussten allein am Sonnabend 74 Besucher wegen Alkoholvergiftung behandeln, im Vorjahr waren es 70.

Die Polizei meldete einen normalen Verlauf. Wie immer gab es erste Maßkrugschlägereien. Für eine 17-Jährige und einen 35-Jährigen ist die Wiesn deshalb schon gelaufen: Sie bekamen ein Betretungsverbot. Auch die ersten Taschendiebe wurden gefasst.

Am ersten Wiesn-Wochenende kommen traditionell viele Münchner - natürlich in Tracht. Doch auch die Gäste von auswärts lieben das bayerische Nationalkostüm. Noch auf dem Weg von der U-Bahn zum Festgelände verwandelten sich viele in zünftige Madl und Buam: In flugs zur „Dirndl-Alm“ umfunktionierten Büroräumen am Wegesrand gab es Dirndl und Lederhose - und als besonderen Service gegen Gebühr die Aufbewahrung der Straßenklamotten.

Bestens kam der nostalgische Festbereich der „Oidn Wiesn“ an. Dort geht es mit Volksmusik, zünftigen Schmankerl und historischen Fahrgeschäften besonders zünftig zu. In den Festzelten dort hätten die Gäste weitgehend problemlos einen Platz gefunden, hieß es bei der Festleitung. Die großen Zelten der Wirtsbudenstraße waren hingegen vor allem am Sonnabend vielfach wegen Überfüllung geschlossen.

Die Sicherheitsvorkehrungen wurden noch einmal verstärkt. Erstmals schirmen knapp 200 Betonpoller das Volksfest gegen mögliche Terror-Anschläge per Fahrzeug ab, rund 500 Polizeibeamte sind im Einsatz. Außerdem sollen drei Sperrgürtel für Sicherheit sorgen. Eine konkrete Bedrohung gibt es aber nicht. Für Raucher haben die Wirte wegen des strikten Rauchverbots Balkone und Freiflächen eingerichtet.

Rund sechs Millionen Besucher aus aller Welt werden an 17 Festtagen erwartet. Da der Feiertag zur Deutschen Einheit am 3. Oktober am Montag angehängt wird, können die Wiesn-Fans einen Extra-Tag trinken und feiern. Die Geschichte des Oktoberfestes geht auf das Jahr 1810 zurück, als Kronprinz Ludwig in einer prunkvollen Zeremonie Therese von Sachsen-Hildburghausen das Jawort gab. (dpa)