20 Jahre nach dem Fund des berühmten Gletschermanns Ötzi in den Alpen steht fest, dass er einem Pfeilangriff zum Opfer fiel.

Berlin. Noch sind die Ermittlungen nicht abgeschlossen. Aber die Recherchen über die Todesumstände sind fast so weit gediehen, dass die Ergebnisse dem Staatsanwalt übergeben werden könnten - wenn es ein Interesse gäbe, den Täter zu überführen. Doch nach 5300 Jahren wäre der Mord wohl auch verjährt. Er wird ungesühnt bleiben.

20 Jahre ist es her, dass ein Nürnberger Ehepaar auf der Südtiroler Seite der Ötztaler Alpen die inzwischen weltberühmte Mumie fand, offenbar nur wenige Wochen, nachdem ein schmelzender Gletscher sie freigegeben hatte. Viel wurde in der Zwischenzeit gerätselt über die genauen Todesumstände, über seinen Wohnort, seine Verwandtschaft. Die Ermittlungskommission wurde über die Jahre größer und größer. Am intensivsten untersuchte ihn der Pathologe Eduard Egarter-Vigl aus Bozen, die Hauptstadt Südtirols.

Für ihn steht mittlerweile fest, dass ein Pfeil den Gletschermann zu Boden streckte, die Spitze steckt noch in seiner Schulter. Zwischenzeitlich kursierte die Theorie, Ötzi sei schon Jahre vor seinem Tod von jenem Pfeil getroffen worden, die Wunde verheilt und er weiter seine Wege gegangen. Inzwischen aber fand Egarter-Vigl heraus, dass der Pfeil eine Arterie traf und das Opfer langsam verblutete. Obendrein hätten der - oder die - Täter ihm mit einer Keule auf dem Hinterkopf ein Schädelhirntrauma zugefügt. Schließlich habe jemand vor Eintritt der Leichenstarre vergeblich versucht, den Pfeil aus ihm herauszuziehen - wohl kaum aus Sorge um den Verletzten, eher weil metallene Pfeilspitzen kostbar waren. Einen Raubmord indes schließen die Wissenschaftler aus, dafür fanden sie zu viele der damals kostbaren Habseligkeiten neben der Mumie, insbesondere ein Beil. Das Tatmotiv wird wohl die härteste Nuss bleiben für die Forscher.

***Ötzis Mörder wird noch nach 5000 Jahren gesucht***

***Sonderausstellung "Ötzi" läuft bis 15. Januar 2012***

Derweil stoßen vor allem die Genetiker auf erstaunliche Hinweise im Tatzusammenhang. Tom Loy von der Universität Queensland, Australien, identifizierte anhand von DNA-Analysen vom Blut an Ötzis Ausrüstung Spuren von vier verschiedenen Personen. Ötzi, Opfer eines Bandenüberfalls?

Albert Zink, Leiter des vor Jahren eigens eingerichteten Bozener Institutes für Mumien und den Iceman arbeitet zurzeit eng mit dem Tübinger Molekularbiologen Carsten Pusch zusammen, um Herkunft und Lebensumstände des Gletschermannes zu ergründen. Ende Oktober wollen beide ihre Ergebnisse bekanntgeben, bislang geben sie nur Auskunft über seine Augenfarbe: braun. Vor Jahren allerdings konnten sie durch mikroskopische Untersuchung der Zähne feststellen, in welcher Region Ötzi die meiste Zeit seines Lebens Wasser getrunken hatte, für welche Alpentäler die Minerale charakteristisch sind, die seinen Körper aufbauten: Es war Südtirol - auch dies eine nachträgliche Rechtfertigung dafür, dass die Mumie vor Jahren von Innsbruck nach Bozen übergeführt wurde.

Von Ötzis Ableben bis zur Ruhestörung dauerte es 5300 Jahre, bei Erika und Helmut Simon kam der Ärger sehr viel schneller. Es war ein strahlend schöner Donnerstag, als das Ehepaar aus Nürnberg bei einer Wanderung auf rund 3200 Meter Höhe die Leiche entdeckte. Halb steckte der Körper noch im Schmelzeis. Erika Simon, heute 71 Jahre alt, erzählt noch einmal, wie es war. Der Ehemann rief: "Schau, was da liegt, das ist ein Mensch!" und zückte mit den Worten "Das glaubt uns sonst niemand" einen Fotoapparat. Die Frau antwortete: "Du wirst jetzt doch keinen Toten fotografieren?" Doch, er wollte.

Schnell wurden sie bekannt, traten in Talkshows auf. Bald stritt man sich mit der Landesregierung Südtirol über Geld. Das Hausmeisterpaar sollte Ötzis "Entdecker" sein, ein Finderlohn hing aber auch am Wort Finder. Die Simons ließen "Ötzi-Finder" auf Visitenkarten drucken. Anfangs bot Südtirol 5100 Euro als Prämie, was Helmut Simon empört als "Butterbrot" zurückwies. Der Rummel um Ötzi oder "Frozen Fritz" machte klar, dass viele Millionen mit dem Gletschermann verdient werden würden. Es kam 1998 zum Prozess. Südtirol bot ein "nettes Brieferl" und "Auszeichnungen, so viel, wie sie wollen" sowie 50 000 Euro als "Anerkennung". Die Leiche habe doch keinen Materialwert im eigentlichen Sinne. Die Anwälte der Simons verlangten das Zehnfache an Geld, 500 000. Die Situation war verfahren, Jahre vergingen.

Im Oktober 2004 ging Helmut Simon alleine im österreichischen Gamskogelgebiet wandern und kehrte nicht zurück. Ein Jäger fand eine Woche später die Leiche. Erika Simon fiel es schwer weiterzuprozessieren. Vor gut einem Jahr bekam sie 175 000 Euro, ein knappes Drittel ging an Anwälte. Da erst hatte der Ötzi-Streit seine Ruh. Jedes Jahr besuchen Zehntausende das Archäologiemuseum von Bozen, wo Ötzi gut gekühlt hinter Glas liegt. Zur heutigen Jubiläumsfeier darf Erika Simon mit dem Helikopter anreisen.