Ein Interview der Präsidenten-Witwe Jacqueline Lee Bouvier Kennedy von 1964 wurde jetzt öffentlich. Bosheiten über Adenauer, de Gaulle und andere.

Washington. Jacqueline Lee Bouvier Kennedy war so schön, dass die Frauen ihrer Zeit aussehen wollten wie sie, und so klug, dass sie sich in vier Sprachen unterhalten konnte. Ihre überragende Charaktereigenschaft aber war etwas anderes: Selbstbeherrschung. "Er hat nicht einmal die Befriedigung, wegen Bürgerrechten ermordet zu werden, es musste ein dummer kleiner Kommunist sein", klagte "Jackie" am 22. November 1963 ihrer Mutter. Nur Stunden zuvor war ihr Mann John F. Kennedy erschossen worden.

Jacqueline Kennedy, die 1961 mit nur 31 Jahren an der Seite ihres zwölf Jahre älteren Mannes ins Weiße Haus gezogen war, verehrte ihren Mann. Sie liebte ihre Kinder und sie begeisterte sich für Literatur, Kunst und Geschichte. Das ist das Bild, das die 1994 verstorbene Jackie Kennedy hinterließ. Es wird bestätigt durch ein achtstündiges Interview, das die Witwe ab März 1964 in sieben Sitzungen dem renommierten Historiker Arthur J. Schlesinger gab, einem Freund der Familie. Caroline Kennedy, das einzige noch lebende Kind des Präsidentenpaares, hat das Material zur Veröffentlichung freigegeben. Gestern erschien es als Buch ("Gespräche über ein Leben mit John F. Kennedy", Hoffmann und Campe, 24,99 Euro).

Warmherzig, an manchen Stellen augenzwinkernd spricht Jackie Kennedy über ihren Mann. Er wollte "so sehr ein großer Präsident" sein, merkt sie an. Nach dem Ende der Kuba-Krise 1962, als er die Stationierung sowjetischer Atomraketen auf der Insel verhinderte, habe JFK gesagt: "Sollte mich jemand je erschießen wollen, wäre heute der richtige Tag." Loyalität gegenüber "Jack", wie sie ihn nannte, stand für Jackie im Vordergrund, nicht Objektivität.

Über andere Akteure äußerte sie sich hingegen ätzend. Charles de Gaulle etwa, der französische Präsident, war wegen seiner Rolle im Widerstand "mein Held, als ich Jack heiratete" (1953), aber später "sank er wirklich ab", weil er ein verbitterter Egomane "voller Bösartigkeit" war. Rada, Tochter von Kreml-Chef Nikita Chruschtschow, habe ausgesehen "wie eine Wehrmachts-Blondine", Indira Gandhis Tochter nannte sie "Pute", eine von den Frauen, die "Angst vor Sex haben". Franklin D. Roosevelt, US-Präsident während des Zweiten Weltkriegs, sei zwar im Urteil ihres Mannes kein "Scharlatan" gewesen, wohl aber ein Angeber, der eine falsche und fehlerhafte Außenpolitik betrieb.

Auch Deutschland kommt nicht gut weg. "Er hatte die Nase gestrichen voll von Adenauer und diesem ganzen Trara um Berlin." Bei jeder Kleinigkeit habe Adenauer getobt. "Jack regte sich wirklich auf über die Deutschen." Er habe Adenauer einen "verbitterten alten Mann" genannt. Über Lyndon B. Johnson, Kennedys Vize und Nachfolger, habe ihr Mann hart geurteilt. Man müsse sich nur vorstellen, dass der Texaner eines Tages das Amt übernehmen müsse. Johnson sei selbstverliebt, so Jackies Urteil. Zum Zeitpunkt des Interviews hatte ihr (später ebenfalls ermordeter) Schwager Bobby Kennedy Ambitionen aufs Präsidentenamt.

In der Kuba-Krise, in der die Welt am Rande eines Nuklearkriegs stand, habe sie ihren Mann angebettelt, sie nicht nach Camp David (Erholungsanlage der Präsidenten mit atombombensicherem Bunker) zu schicken. "Wenn etwas passiert, wollen wir alle hier bei dir sein." Und wenn im Bunker kein Platz sei, "dann möchte ich hier im Garten sein, wenn es passiert".

John F. Kennedy soll als Präsident viele Affären gehabt haben. Aber nach Namen wie Marilyn Monroe sucht man im Buch vergebens. Außereheliche Verhältnisse sagt Jackie Kennedy hingegen Martin Luther King nach. Das FBI habe Telefonate des schwarzen Bürgerrechtlers abgehört, in denen King "Orgien" organisierte. Er sei "verschlagen".

Der Präsident erscheint stets heroisch, mit liebenswerten Macken. Jackie fand es etwa "süß", dass ihr katholischer Mann vor dem Schlafengehen zum Gebet vor dem Bett niederkniete und sich so mechanisch bekreuzigte, wie man Zähne putzt. Jackie Kennedy, die später den Tankerkönig Aristoteles Onassis heiratete, wollte mit den Interviews einen Beitrag zur Geschichtsschreibung leisten. Vor allem aber sollte JFK ins rechte Licht gerückt werden.