Der Hessische Verwaltungsgerichtshof erlaubt einem Falkner das Töten der Vögel, allerdings nur unter bestimmten Bedingungen.

Kassel. Ihre Art ist auf der ganzen Welt verbreitet mit Ausnahme der Arktis und Antarktis: die Taube. Von den einen als Friedensbotschafter, als göttliches Wesen geliebt, von den anderen als "Ratte der Lüfte" gehasst, soll es dem Vogel jetzt ans Gefieder gehen. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat entschieden, dass verwilderte Straßentauben Schädlinge sind, allerdings nur wenn sie in großen Schwärmen auftreten. Die Tiere zu töten, sei aber nur in Grenzen erlaubt, sagte ein Gerichtssprecher gestern in Kassel.

Geklagt hatte ein Falkner aus dem südhessischen Villmar. Ein Unternehmen in Rüsselsheim hatte ihn beauftragt, die Taubenplage zu bekämpfen. Deshalb wollte der Jäger Tauben per Falle fangen, sie töten und an Greifvögel verfüttern. Zum Prozessauftakt sagte der Mann, er habe von der Firma den Auftrag bekommen, deren Taubenplage zu beseitigen. Selbst das Regierungspräsidium Darmstadt habe festgestellt, dass eine Gesundheitsgefährdung der Mitarbeiter vorliege. "Doch das Veterinäramt erlaubt mir nicht, den Auftrag auszuführen, die Tauben zu fangen und zu töten. Ich darf die Tauben lediglich fangen, muss sie dann später aber freilassen", sagte Berthold Geis, 55. In der ersten Instanz war ihm das Töten der Stadttauben verboten worden (Az.: 4 K 1347/09.WI). Vom Züchter gekaufte Tauben darf er umbringen.

Zwar bekam der Falkner in der höheren Instanz gestern keinen Freifahrtschein für das gewerbsmäßige Fangen und Töten der Vögel. Doch die Richter verpflichteten den zuständigen Landkreis Limburg-Weilburg, den Antrag des Falkners neu zu prüfen und festzulegen, ab wann von einer Taubenplage gesprochen werden kann und die Vögel getötet werden dürfen (Az.: 8A 396/10).

Anders als die am Mittelmeer wildlebenden Felsentauben haben es deutsche Stadttauben sehr viel komfortabler: üppiges Nahrungsangebot rund ums Jahr, guter Schutz vor Kälte, Sturm und Regen, kaum Feinde. Diese Bedingungen machen die Vögel außerordentlich standorttreu und vermehrungsfreudig. Zu viele Tauben auf engem Raum sind aber weder für den Menschen noch für die Tiere gut. Die Vögel leiden unter Stress und Krankheiten, die Städter ärgern sich über Dreck, Lärm- sowie Geruchsbelästigung und fürchten die Übertragung von Krankheiten. Zahlreiche Städte versuchen den Bestand zu reduzieren oder die Vögel ganz auszurotten. In manchen Ländern werden Tauben gefangen, abgeschossen oder vergiftet. Auch werden Eier aus den Nestern entfernt und die sogenannte Taubenpille eingesetzt.

In vielen deutschen Städten setzen die Behörden aus tierschutzrechtlichen Gründen vor allem auf Fütterungsverbote, Abwehrvorrichtungen wie Netze und kontrollierte Taubenschläge. Wenn die Tiere gute Bedingungen vorfinden, nisten sie dort, und der Mensch hat die Möglichkeit, ihnen Ei-Attrappen unterzuschieben. Nichtsdestotrotz machen die Tauben Schwierigkeiten: Jede Taube produziert zwischen zehn und zwölf Kilogramm Kot im Jahr. In einer Großstadt könne sich das leicht auf 100 Tonnen jährlich summieren, sagte Klaus Richarz, Leiter der Staatlichen Vogelschutzwarte in Frankfurt.

Tauben gelten als "kommunalhygienisches Problem" - auch weil sie Allergien auslösen und Bakterien und Krankheiten wie Ornithose übertragen können, eine grippeähnliche Krankheit mit Schüttelfrost, hohem Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen sowie oft auch Reizhusten. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts in Berlin gab es deutschlandweit seit Jahresbeginn zehn Fälle.

Sogar Vogelschützer halten die Zahl der Tauben in deutschen Städten für zu hoch - darum könnten sie auch bekämpft werden. "Straßentauben sind keine Wildvögel, sondern verwilderte Haustauben", sagt Richarz. Es sei nichts dagegen einzuwenden, wenn die Zahl der Vögel nach tierschutzrechtlichen Maßstäben reduziert werde.

Tote Tauben an Tiere zu verfüttern, hält sogar der Vogelschützer Richarz für denkbar. Versuche, das Problem durch Greifvögel in den Städten lösen zu lassen, seien bisher aber nicht gelungen. In Frankfurt am Main gebe es inzwischen zum Beispiel mehrere Wanderfalken-Brutpaare, die vor allem Tauben jagen. Aber Greifvögel rotteten ihre Beutevögel niemals völlig aus.