Studie: Sieben von acht Quittungen enthalten Spuren der Chemikalien BPA oder BPS. Kassierer besonders gefährdet

Hamburg. Wer seine Ausgaben beim Einkaufen im Blick behalten will, wird auf einen Kassenbon kaum verzichten. Doch selbst wer die Quittung nur kurz in Händen hält und umgehend wegwirftt, setzt sich womöglich einem unkalkulierbaren Gesundheitsrisiko aus. Ausgerechnet die überwiegend auf Thermopapier ausgedruckten Kassenzettel stehen einmal mehr in der Kritik.

Laut einer vom Hamburger Greenpeace-Magazin in Auftrag gegebenen Studie enthalten noch immer viele Bons die umstrittene, gerade erst aus Babyfläschchen verbannte Chemikalie Bisphenol A (BPA). Sieben von acht untersuchten Quittungen waren demnach mit BPA oder der eng verwandten Substanz Bisphenol S (BPS) belastet. Bons von Edeka, Galeria Kaufhof und der Deutschen Post enthielten BPA, Quittungen von Aldi Nord, Kaiser's, Rewe, aber auch Automaten-Fahrkarten der Deutschen Bahn Bisphenol S. Einzig die Quittungen von Lidl waren gänzlich frei von beiden Chemikalien.

Bisphenol A und S sitzen auf der Oberfläche von Kassenbons und können über einfachen Hautkontakt in den Organismus gelangen. Zwar ist die Chemikalie nicht hochgiftig. Allerdings kann BPA ähnlich wirken wie das weibliche Geschlechtshormon Östrogen. Neuere Studien bringen die Substanz unter anderem mit Herzerkrankungen, Brust- und Prostatakrebs sowie Fruchtbarkeitsproblemen in Verbindung.

In Tierversuchen löste BPA in hohen Dosen Sterilität und verspätete Geschlechtsreife aus, auch in niedrigsten Dosen waren Effekte auf die Prostata, die Harnröhre und das Nervensystem messbar. Es steht zudem im Verdacht, die Reifung des Gehirns von Ungeborenen und Kleinkindern unwiderruflich zu schädigen.

Für Greenpeace wertete Manfred Krautter, Chemiker der auf Produktsicherheit spezialisierten Hamburger Firma EcoAid, die Daten des Berliner Pica-Instituts aus. Die BPA-Werte in den Bons lägen mit 0,15 und 9,51 Milligramm teils deutlich über dem Tagesrichtwert von drei Milligramm für einen 60 Kilo chweren Menschen, so Krautter. Das Berühren der Bons setze allerdings eine sehr viel geringere Menge frei. Dennoch empfiehlt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) Eltern, ihren Kindern keine Kassenbons zum Spielen zu geben. Besonders hohen Belastungen seien die Kassierer ausgesetzt, die täglich Hunderte Bons in die Finger bekommen, so Krautter. In den USA wies ein Harvard-Forscher erhöhte BPA-Werte im Urin dieser Berufsgruppe nach. Als erster US-Bundesstaat hat Connecticut inzwischen die Verwendung von BPA auf breiter Front, so auch in Thermopapieren, untersagt.

Zwar ist Bisphenol A in Europa grundsätzlich zugelassen, aus Vorsorgegründen hat die EU im Juni 2011 allerdings dessen Verwendung in Babyflaschen aus Polycarbonat verboten. Weitere Beschränkungen und sogar ein generelles Verbot der Substanz würden gegenwärtig EU-weit geprüft, sagte ein Sprecher der Bundesanstalt für Arbeitsschutz. Handlungsbedarf sieht die Interessenvertretung der Einzelhandelsbeschäftigten, die Gewerkschaft Ver.di, aber nicht - gleichwohl halte man einen Verzicht auf BPA in Thermopapieren für "begrüßenswert", sagte Ver.di-Sprecher Jan Jurczyk.

Der mit 2,1 Prozent höchste Anteil der Chemikalie wurde in den Kassenzetteln von Edeka registriert. Trotz der aktuellen Studien sieht die Handelsgruppe mit Sitz in Hamburg keinen Anlass, ihre bisherige Strategie zu ändern. "Vonseiten des BfR und vonseiten der Behörden gibt es keine Hinweise darüber, dass von Kassenrollen aus Thermopapier Gefahren für die Gesundheit ausgehen", teilte der Konzern schriftlich mit. Das sieht Chemiker Krautter indes ganz anders. Sein Fazit: "Eigentlich müssten die Kassenbons bei diesen Werten als Sondermüll eingestuft werden." Dabei gebe es Alternativen zur Papierherstellung mit Bisphenol A und S.

Das schwedische Jegrelius-Institut fand schon 2010 in einer Untersuchung heraus, dass Kassenzettel im Schnitt 1,5 Prozent BPA enthalten - rund 1000-mal mehr als in den Nuckelflaschen aus Polycarbonat, die im Juni verboten worden waren. Zudem, so die schwedische Studie weiter, könnten in die Geldbörse gestopfte Bons beispielsweise auch Geldscheine verseuchen.

Weil die Risikobewertung von Bisphenol A seit Jahren Gegenstand kontroverser wissenschaftlicher Diskussionen ist, wichen viele Anbieter vorsorglich auf Bisphenol S als Ersatzstoff aus. Welche Gefahren die mit Bisphenol A chemisch fast identische Substanz birgt, ist aber noch nicht ausreichend erforscht.

"Allerdings gibt es nach bisher unbestätigten Studien Hinweise, dass BPS sogar eine noch stärkere östrogene Wirkung entfaltet als BPA und vom Körper schlechter abgebaut wird", sagt Greenpeace-Sprecherin Jessica Beller.