Früher besangen Sänger wie Clüver erfolgreich die heile Welt von Liebe und Sonnenschein. Später suchten sie vergeblich danach.

Hamburg. Zuletzt war es ruhiger geworden um ihn. Oder um sie. Dieser Satz ist fester Bestandteil aller Berichte, die sich mit alternden Schlagerstars beschäftigen, die unter "mysteriösen Umständen", oft einsam und hoch verschuldet die Bühne des Lebens verlassen. Mit denjenigen eben, die noch irgendwie präsent, eigentlich aber schon seit Jahren erloschen waren: raus aus dem Rampenlicht der großen Konzertsäle, nicht mehr gebucht für die TV-Shows (höchstens fürs RTL-Dschungelcamp), aber immer noch bekannt genug, um in Tuttelinghausen, Westerniedermankelsdorf oder sonst wo in der Provinz ein Möbelhaus einzuweihen oder bei einer Bierzeltsause einzuheizen. Weil sie damals diesen einen, ganz großen Hit hatten. Oder auch mehrere.

Auch um Bernd Clüver, der in der Nacht zum Donnerstag in einer Klinik von Palma de Mallorca mit 63 Jahren an den Folgen eines Treppensturzes auf seiner Finca in Llucmajor starb, war es "zuletzt ruhiger geworden". Und auch Clüver hatte so einen Megahit: Er ging seit seinem ersten Auftritt in der ZDF-Hitparade 1973 als "Der Junge mit der Mundharmonika" durchs Leben.

Doch anders als manche Kollegen hatte er dann noch fast 30 ziemlich fette Jahre, ehe dann etwa ab der Jahrtausendwende die Bedeutungslosigkeit zunahm. Obwohl Clüver ernsthaft weiterarbeitete und seine deutschen Fans auch trotz teils entwürdigender Tingeltouren nicht im Stich ließ. Doch wer kennt sein Studioalbum "Offen und ehrlich" aus dem Jahre 2006 wirklich, wer kann seine letzte Single "Ich war auch in San Francisco" mitsummen?

Sein Lebensmotto "Wer immer Glück hat, weiß nicht, was Glück ist" zog sich thematisch durch seine Lieder. Es ist anzunehmen, dass er auch ziemlich genau wusste, was Glück ist. Und auch, dass es einen verlassen kann, so wie seine Frau Anja Hörnich, 43, eine ehemalige Miss Germany, von der er im März dieses Jahres nach knapp 21 Jahren Ehe geschieden wurde. Seinem "Sonnenschein". Freunde berichten, er habe die Trennung nicht verkraftet. Bernhard Brink, der ihn gut kannte, sagte: "Als wir uns zuletzt trafen, sah er traurig aus. Ich glaube, dass Bernd große Probleme gehabt hat." Kurz darauf starb dann auch noch Clüvers Mutter Traudl, zu der er ein sehr inniges Verhältnis hatte. Seit Kurzem wurde seine Finca, in der er noch immer mit seiner Ex-Frau in getrennten Wohnbereichen lebte, für 595 000 Euro im Internet angeboten.

Doch Geldsorgen waren sicher nicht der Grund. Clüver wurde von seiner Schwester Ingrid klug gemanagt. Der Schlagersänger und -produzent Peter Orloff, 67, der mit Clüver fast 40 Jahre arbeitete, sagte der "Bild"-Zeitung: "Bernd wollte zurück nach Deutschland. Ich glaube, er wollte einfach alle Brücken abbrechen und hier noch einmal neu anfangen." Dann aber der tragische Treppensturz, "unter mysteriösen Umständen", wie "Bild" schrieb; eine häufig gewählte Umschreibung für ein Alkoholproblem, für das es jedoch in Clüvers Fall keinerlei Anhaltspunkte gab. Nicht mal Gerüchte.

Wahrscheinlich wäre Bernd Clüver der erhoffte Neustart gelungen. Wahrscheinlich wäre ihm ein Altern in Würde geglückt. Denn der ehemalige Jurastudent aus Hildesheim, dessen musikalisches Erfolgsrezept auf dem Weichspülerprinzip basierte, war aus härterem Holz geschnitzt als viele Kolleginnen und Kollegen, die am brutalen Schlagergeschäft scheiterten. Die es nicht verkrafteten, wenn der Ruhm nur noch aus Erinnerungen bestand, plus einer direkt vertriebenen Ramsch-CD mit "Kultschlagern aus den 70er-Jahren". Die sich, wie der Mallorca-König Jürgen Drews ("Ein Bett im Kornfeld"), 66, nicht rechtzeitig um ein zukunftsträchtiges Lebensmodell kümmerten. Die wie Roy Black nach außen hin lächelnde Glückseligkeit verströmten, während ihnen innerlich längst zum Heulen zumute war. Oder die sich jahrelang in die Rolle des Frauenherzensbrechers begaben, obwohl sie eigentlich Männer liebten. Jürgen Marcus ("Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben"), 63, hatte im Gegensatz zum am Ende verzweifelten Rex Gildo den Mut, sich von Anfang an zu seiner Homosexualität zu bekennen: "Wer schwul ist, soll seine Freundschaft ausleben und sie genießen. Ich habe es gelebt, werde es weiter leben und mich von niemandem davon abbringen lassen." Doch solche Authentizität fristet in der fragwürdig heilen Welt des deutschen Schlagers überwiegend ein Fremdwortdasein. Jeder hätte es beispielsweise verstanden, wenn Rex Gildo sich damals, Ende der 90er, nach 25 Millionen verkaufter Platten, mit seinem Chauffeur Dave Klingeberg zur Ruhe gesetzt hätte. Aber das konnte er einfach nicht.

Und dann ist da ja dann auch noch das Kreuz mit dem einen, dem großen Megahit. Der die Künstler in Lichtgeschwindigkeit nach oben katapultiert und das Bankkonto mit Unsummen füllt. Unfähige Manager, nicht selten auch kriminelle "Berater" haben dann häufig leichtes Spiel. So wie bei Matthias Reim ("Verdammt ich lieb dich"), 54, oder Werner Böhm alias Gottlieb Wendehals ("Polonäse Blankenese"), der noch mit 70 über die Dörfer tingeln muss. Reim hat sich inzwischen mit Hilfe eines Insolvenzverwalters seiner Schulden entledigt und ist derzeit "mit klarerem Kopf und neuer CD" auf viel beachteter Comeback-Tournee. Böhm braucht dafür wohl noch ein paar Jahre. Immerhin hat er das Glück, dass seine Gema-Einnahmen dank der "Polonäse Blankenese" ordentlich sprudeln.

Doch die Liste derjenigen Schlagerstars, die nach anfänglichem Ruhm und Reichtum in Drogen und Alkohol, in Einsamkeit und Depressionen versinken, ist länger als die Liste derjenigen, die es dann gerade noch einmal schaffen, die Kurve zu kriegen, die Liebe zu finden und glücklich zu werden - so wie die Protagonisten in ihren Songs.