Am Sonnabend öffnet die neue Delfinlagune in Nürnberg. Tierschützer kritisieren die lebensfeindlichen Bedingungen.

Nürnberg. Eisbärin Flocke ist nach Südfrankreich umgezogen. Auch die Begeisterung für ihre Brüder Gregor und Aleut hat sich längst gelegt. Nun soll die neu erbaute Delfinlagune für Besucherandrang im Nürnberger Zoo sorgen. Neben wirtschaftlichen Interessen verfolgen die Betreiber des Tiergartens aber noch ein ganz anderes Ziel mit dem Millionen-Projekt: Sie wollen an die Zuchterfolge früherer Jahre anknüpfen. Am 30. Juli öffnet die in der Öffentlichkeit höchst umstrittene Anlage erstmals für Besucher.

„Wir wollen unsere Tierhaltung immer wieder auf den Prüfstand stellen und sie nach heutigen Erkenntnissen so gut wie möglich machen“, erklärt der stellvertretende Tiergarten-Direktor Helmut Mägdefrau die Beweggründe für das – inklusive einer Halle für tropische Seekühe – 24 Millionen Euro teure Großprojekt. Hätte der Zoo darauf verzichtet, wäre dies auf Dauer sogar noch teurer geworden, rechnet er vor – „weil die Besucher wegbleiben würden“. Schließlich biete Nürnberg im Umkreis von 400 Kilometern die einzige Delfinlagune.

Bald nur noch zwei Delfinarien in Deutschland

Nach Auffassung von Tierschützern ist das auch gut so. „Delfinarien sind Auslaufmodelle“, sagt der Gründer und Geschäftsführer des Wal- und Delfinschutzforums (WDSF) in Hagen, Jürgen Ortmüller. In allen Delfinarien habe es Todesfälle gegeben, so dass von einst neun Einrichtungen in Deutschland nur noch drei übrig seien: in Dortmund, Münster und Nürnberg. Allerdings wird Münster wohl 2012 schließen, weil dort die Mittel für notwendige Umbauten fehlen, wie Ortmüller erklärt. „Hier haben wir interveniert“, betont er.

Denn Ortmüller ist davon überzeugt, dass es keine artgerechte Haltung von Delfinen in Zoos geben kann und dies auch der Grund für die hohe Sterblichkeitsrate dort ist. Allein in Nürnberg, so berichtet er, seien 37 Große Tümmler weit vor ihrer Lebenserwartung gestorben, darunter seit 2004 neun Jungtiere.

„Delfine müssen mindestens eine Minute geradeaus schwimmen können. Sie bräuchten also ein Becken von bis zu 900 Metern Länge“, erklärt er und beruft sich auf Studien der Ruhr-Universität Bochum.

Für den stellvertretenden Zoo-Direktor Mägdefrau ist das „absolut hirnrissig“ . „Wo können Delfine in einem Korallenriff denn eine Minute geradeaus schwimmen?“, entgegnet er. Dass die Nachzucht allerdings nicht mehr so recht klappen will, räumt er ein, und dass viele erwachsene Tiere an Infektionen gestorben sind. „Das lief nicht gut, aber man muss erstmal lernen“, sagt Mägdefrau.

Erfolgreiche Nachzuchten zwischen 1986 und 1998

Allerdings habe Nürnberg früher durchaus erfolgreich Delfine gezüchtet: „Wir haben von 1986 bis 1998 in Reihe fünf im Zoo geborene Delfine aufgezogen“, erzählt Mägdefrau. Fakten, die leider allzu häufig unter den Teppich gekehrt würden.

Warum seither aber kein im Zoo geborener Delfin mehr groß gezogen wurde, könne er nur vermuten. „Wir haben die Muttertiere vor der Geburt von der Gruppe getrennt, damit sie ihre Ruhe haben können“. Dies sei möglicherweise ein Fehler gewesen, weil so der Erfahrungsaustausch für die Aufzucht der Jungtiere unterbrochen wurde.

Während die Mütter der erfolgreich groß gezogenen Babys Wildfänge gewesen seien und sich den Umgang mit ihrem Nachwuchs zuvor von anderen Müttern abschauen konnten, habe dies den späteren Müttern möglicherweise gefehlt.

Auch deshalb wurde die Lagune nicht mit einem einzigen riesigen Außenbecken, sondern mit mehreren, miteinander verbundenen kleineren Bassins gestaltet. So könnten sich die Delfine aus dem Weg gehen, seien aber dennoch nicht gänzlich voneinander abgeschnitten, sagt Mägdefrau.

Auch an den von Tierschützern kritisierten Vorführungen der Delfine will Nürnberg festhalten. Mehrmals am Tag sollen die Meeressäuger in kurzen Einlagen zeigen, zu welchen Kunststücken sie fähig sind – wenn sie denn Lust dazu haben. „Kunststück klingt zwar nach Zirkus, aber wir werden sie weiter zeigen“, betont Mägdefrau. Schließlich gebe es nur ganz wenige Tiere, die in der Lage seien, einen Ball zu balancieren. „Da können Sie einen Hirsch zehn Jahre trainieren, der kann das nicht.“ Delfine indes schon. Und das, schwärmt Mägdefrau, finde er faszinierend. (dapd/ abendblatt.de)