Die Loveparade hätte so nicht genehmigt werden dürfen. Duisburgs OB Sauerland zeigt späte Reue. Jetzt soll es eine Gedenkstätte geben.

Duisburg. Die Genehmigung des Techno-Events in Duisburg war formal rechtswidrig, erklärte die Staatsanwaltschaft. Die Loveparade hätte so nicht genehmigt werden dürfen. Ohne konkrete Aussagen und mit einem Hinweis auf die Unschuldvermutung entschuldigte sich Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU). Er übernahm öffentlich die moralische Verantwortung für die Tragödie. Eine Geste, die gelobt aber auch kritisiert wurde, weil sie in den Augen vieler viel zu spät kam. Seine Verwaltung nahm er erst einmal in Schutz. Bei der Loveparade waren am 24. Juli 2010 in Duisburg 21 Menschen getötet und mehr als 500 verletzt worden.

Der umstrittene Oberbürgermeister erklärte dazu, der Zwischenbericht stelle keinen neuen Informationsstand dar, sondern die Erkenntnisse von Anfang Januar. Sauerland bat am Montag Geschädigte und Hinterbliebene um Verzeihung, stellte sich zugleich aber vor die Rathaus-Mitarbeiter, die die Veranstaltung genehmigt hatten. Der Stadtrat beschloss Gespräche mit Opfern über einen jährlichen Gedenktag. Außerdem soll der Unglücksort, an dem ein Investor ein Möbelhaus plant, in Teilen als Gedenkstätte erhalten werden.

Der zuständige Duisburger Staatsanwalt Rolf Haferkamp bestätigte einen Bericht der „Rheinischen Post“ vom Montag, wollte sich aber zu den Inhalten des sogenannten „Einleitungsvermerkes Loveparade“ nicht näher äußern. Der insgesamt 400 Seiten umfassende Vermerk ist vom Justizministerium als geheim eingestuft. Mit der Vertraulichkeit des Berichts sollten die Persönlichkeitsrechte der Beschuldigten und die Unbefangenheit der Schöffen bei einem möglichen späteren Verfahren garantiert werden, erklärte das Justizministerium. Vertretern der Landtagsfraktionen sei der Bericht zugänglich gemacht worden.

Sauerland bat die Betroffenen um Verzeihung. „Als Oberbürgermeister dieser Stadt trage ich moralische Verantwortung für dieses Ereignis“, sagte Sauerland zu Beginn der Ratssitzung. „Es ist mir ein persönliches Bedürfnis, mich an dieser Stelle bei allen Hinterbliebenen und Geschädigten zu entschuldigen.“ Anschließend bat er um eine Gedenkminute. Er sagte weiter: „Die Wunden sind längst nicht geheilt.“ Zugleich stellte sich Sauerland vor die Rathaus-Mitarbeiter, die die Veranstaltung genehmigt hatten: „Ich habe keinerlei Hinweise, dass das Verwaltungshandeln in Duisburg falsch war“, sagte er im „Tagesspiegel“ (Dienstagausgabe). Darüber würden die Gerichte entscheiden. „Und solange das nicht gerichtlich geklärt ist, haben meine Mitarbeiter für mich nichts falsch gemacht.“ Es gelte die Unschuldsvermutung. Er verwies auf ein Gutachten, das die Stadt Duisburg Anfang September 2010 bei einer Anwaltskanzlei in Auftrag gegeben hatte und das die Duisburger Verwaltung im Ergebnis entlastete. Die Staatsanwaltschaft nehme in dem Zwischenbericht keine gerichtliche Bewertung vorweg. Am Abend wollte der Stadtrat darüber entscheiden, ob der Unglücksort der Loveparade als Gedenkstätte erhalten bleibt. Mit einer Zustimmung wurde gerechnet.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung. Als Beschuldigte gelten derzeit 16 Personen, darunter elf städtische Mitarbeiter. Ihnen wird vorgeworfen, das Konzept des Veranstalters trotz Mängeln ohne die nötigen kritischen Prüfungen übernommen zu haben. Haferkamp sagte, zu den Beschuldigten zähle auch ein leitender Polizist wegen seines Verhaltens bei der Loveparade am 24. Juli 2010.

Für Hunderttausende Besucher hatte es nur einen einzigen Ein- und Ausgang gegeben, der obendrein durch einen engen Straßentunnel führte. Zu dem tödlichen Gedränge kam es, als zu- und wegströmende Menschen am Nachmittag an der Rampe zum Festgelände aufeinandertrafen. Kommunikationsprobleme und Unstimmigkeiten unter den Sicherheitskräften sollen hinzugekommen sein.

Die Ermittlungen würden wegen der enormen Mengen von Daten und mehr als 3000 Zeugen noch einige Monate in Anspruch nehmen, sagte Haferkamp. Bis zur Entscheidung über eine mögliche Anklageerhebung werde es daher noch dauern. Die Staatsanwaltschaft hatte zu Jahresbeginn auch Wohnungen und Büros von Beschuldigten durchsucht.

Neben den möglichen strafrechtlichen Konsequenzen drohen auch Schadenersatzforderungen in Millionenhöhe. Bis Ende Mai hatten bei der Versicherung des Loveparade-Veranstalters Lopavent bereits rund

290 Menschen Schadenersatz eingefordert. Die Versicherung Axa (Köln) und die Stadt Duisburg haben vereinbart, mit der Regulierung ungeachtet der Schuldfrage schon zu beginnen. Allein die Axa hat dazu zehn Millionen Euro Rückstellungen gebildet. Sobald die Schuldfrage klar ist, ist mit Regressforderungen der Versicherung und möglicherweise auch der Stadt zu rechnen.

Mit Material von dpa/dapd