Im Inselstaat Samoa fahren die Autos seit Montag auf der linken Straßenseite. In den Kirchen beteten Einwohner für unfallfreies Fahren.

Singapur. Die ehemalige deutsche Kolonie Samoa in der Südsee wechselt die Seiten: Der Inselstaat hat gegen den Protest der Mehrzahl seiner 180 000 Einwohner den Linksverkehr beschlossen. Samoa ist das erste Land seit mehr als 30 Jahren, das den Verkehr umstellt. Damals wechselte Ghana in die andere Richtung.

Die Regierung will den Samoanern damit billigere Auto-Importe ermöglichen, etwa aus Australien und Neuseeland, wo wie in vielen Ex-Kolonien Großbritanniens auf der linken Straßenseite gefahren wird. Die Autos haben entsprechend das Lenkrad rechts. Bislang kamen die meisten Autos auf Samoa aus den USA, wo wie in Deutschland links gesteuert und rechts gefahren wird.

„Autos werden zusammenstoßen und Menschen werden sterben – ganz zu schweigen von den Riesenkosten“, wetterte Tole'afoa Somona Toa'iloa, der Anwalt der Bürgerinitiative gegen den Wechsel. Regierungschef Tuilaepa Sailele wischte das ungerührt vom Tisch. „Ich spreche aus Erfahrung“, beschied er. Er sei höchstpersönlich schon mal von Frankreich – mit Rechtsverkehr – nach England – mit Linksverkehr - gefahren und habe sich innerhalb von zwei Minuten auf der anderen Straßenseite zurecht gefunden. Sailele wollte sich selbst ans Steuer setzen, wenn der Wechsel um 6 Uhr morgens (19 Uhr unserer Zeit) erfolgt, um nicht als Feigling zu gelten.

Die Regierung hat vorgesorgt: Zwei Feiertage sollen den Samoanern entspanntes Üben ermöglichen, und der Alkoholverkauf wurde für ein paar Tage verboten. Doch ist der Ärger vorprogrammiert. Immerhin waren im Vorfeld so viele Samoaner aus Protest auf die Straße gegangen wie nie zuvor. Zwei Drittel der Bevölkerung unterzeichneten eine Petition. Besonders erboste Einwohner haben die neuen Straßenschilder herausgerissen und neue Markierungen auf dem Asphalt übermalt. Manches Dorf droht, seine eigenen Regeln zu erlassen: Fahren auf der rechten Seite. Am lautesten protestierten die Busunternehmer. Die Türen ihrer Fahrzeuge sind natürlich rechts. Sie müssen jetzt neue Fahrzeuge anschaffen, weil ihre Fahrgäste sonst mitten auf der Straße aussteigen müssen.

Samoa liegt nordöstlich der Fidschi-Inseln im Pazifik, auf halbem Wege zwischen Hawaii und Neuseeland, aber östlich der internationalen Datumslinie. Die Inseln – nach Fläche etwa doppelt so groß wie Gran Canaria – liegen deshalb in einer Zeitzone 13 Stunden hinter der mitteleuropäischen Sommerzeit. Samoa wurde 1900 deutsches Schutzgebiet. 1914 besetzte Neuseeland die Inseln für die britische Krone. 1962 wurde es unabhängig.

Die Regierung von Samoa hat den Wechsel lange vorbereitet. Im gesamten Land wurden die Straßenschilder umgestellt, Schlaglöcher geflickt und den Blick verstellende Bäume und Sträucher gestutzt, um die schon vorher gefährlichen engen Landstraßen verkehrstüchtiger zu machen. Um das zu erwartende Chaos weiter abzumildern, erklärte die Regierung Montag und Dienstag zu Feiertagen und verbot für drei Tage jeden Alkoholverkauf. Zudem drosselte sie das Tempolimit von 56 auf 40 Stundenkilometer und ließ in besonders verkehrsreichen Gebieten Rüttelschwellen errichten. Dennoch richtete sich das Rote Kreuz auf das Schlimmste ein und warb massiv um Blutspenden.

Genau zehn Minuten vor 6 Uhr morgens sollte der Verkehr dann über einen Aufruf im Rundfunk zum Stillstand gebracht werden. Punkt 6 Uhr sollten alle Fahrzeuge die Fahrbahn wechseln, ihre Fahrer dann noch zehn Minuten Zeit bekommen sich zu sammeln, bevor sie auf der falschen Straßenseite Gas geben.

Lange Zeit war die Initiative von Protesten begleitet. Ihre Gegner – allen voran die Bewegung „People Against Switching Sides“ (Menschen gegen den Seitenwechsel) – argumentierten, weder die Straßen noch die Verkehrsteilnehmer seien auf den Wechsel genügend vorbereitet. Doch seitdem die Gegner im vergangenen Monat vor Gericht verloren, hat sich der Widerstand weitgehend gelegt. Allein die Busunternehmen drohten noch mit Streiks, weil die Regierung sich weigerte, die Kosten für die notwendigen Umbauten zu übernehmen. (dpa)