Mehr als 70 Staaten und Organisationen bieten Japan ihre Hilfe an - denn niemand weiß, wie viele Menschen noch unter den Trümmern begraben sind

Tokio/Hamburg. Es gibt auch Lichtblicke in dieser Ausnahmesituation, in der niemand weiß, wie viele Opfer noch unter Schlamm, Wasser und Trümmern begraben liegen. Vor der Küste Japans haben die Sicherheitskräfte einen 60 Jahre alten Mann vom Dach seines Hauses gerettet. Ein Militärhubschrauber hat ihn vor Fukushima geborgen, nachdem der Tsunami das Dach mitsamt dem 60-Jährigen fortgerissen hatte. Dem Mann geht es laut Rettungskräften gut.

Auch zwei Tage nach dem Beben war gestern das ganze Ausmaß der Katastrophe noch nicht erfasst. Die Behörden gehen mittlerweile von deutlich mehr als 10 000 Toten aus. Tausende Menschen werden noch vermisst. Viele Gegenden sind ohne Wasser. Im ganzen Land wird der Strom knapp, auch in der Hauptstadt Tokio muss die Energieversorgung deswegen zeitweise abgestellt werden. "Die Telefonkommunikation mit betroffenen Regionen wie Sendai ist derzeit fast unmöglich", erklärte Daisuke Narui, Direktor des katholischen Hilfswerks Caritas Japan. Allein in der Region um die Stadt Miyagi rechnen die Behörden mit mehr als 10 000 Toten. Das erklärte Polizeisprecher Go Sugawara. Die Stadt war von dem Beben und dem anschließenden Tsunami besonders schwer getroffen worden. Offiziell bestätigt sind bislang erst 1400 Todesopfer sowie 739 Vermisste.

Rettungsteams durchsuchen die japanische Küste auf einer Länge von mehreren Hundert Kilometern nach Verletzten und Vermissten. Viele Landstriche sind jedoch noch immer unzugänglich, weil die Zufahrtswege zerstört sind oder sie von den Wassermassen eingeschlossen sind. Insgesamt haben mehr als 70 Staaten und internationale Organisationen Japan ihre Unterstützung angeboten. Zugleich bat das Land selbst um internationale Such- und Rettungstrupps.

Die USA schicken 140 Katastrophenhelfer nach Japan und stellen zusätzlich rund 75 Tonnen an Materialien bereit. Die in Japan ohnehin stationierten US-Truppen hatten bereits gemeinsam mit Rettungseinheiten der japanischen Armee begonnen, Erdbebenopfern zu helfen.

Helfer aus Südkorea, Singapur und China sind bereits in Japan. "Dieses Mal haben wir hauptsächlich Equipment für Such- und Rettungsmaßnahmen dabei, aber auch Ausrüstung für unseren persönlichen Schutz", sagte ein chinesischer Helfer lokalen Medien.

Premierminister Naoto Kan sagte, dies sei die schlimmste Krise seit dem Zweiten Weltkrieg. Das Japanische Rote Kreuz berichtete von zahlreichen Verletzten, die fast ertrunken wären. Zudem würden viele Menschen mit Brandwunden und Rauchvergiftungen behandelt, teilte das Rote Kreuz in Berlin mit.

Auch Neuseeland, das erst vor drei Wochen ein verheerendes Beben erlebt hat, will sich an der internationalen Hilfe beteiligen und sendet ein Team mit 48 Rettungskräften nach Japan. Die Japaner hatten Neuseeland nach dem Erdbeben in Christchurch am 22. Februar ebenfalls mit Such- und Bergungsmannschaften unterstützt.

Laut dem Fernsehsender NHK sind etwa 380 000 Menschen in Notunterkünften untergebracht, viele ohne Kontakt zu Hilfskräften und abgeschnitten von der Stromversorgung. Nach Schätzungen der Behörden sind bei Temperaturen um den Gefrierpunkt mindestens 1,4 Millionen Haushalte ohne Wasser und 2,5 Millionen Haushalte ohne Strom. In vielen Orten werden Benzin und Lebensmittel knapp. In der Stadt Iwaki gab die lokale Polizei Decken und Reisbälle an die Not leidende Bevölkerung aus. Weder staatliche Hilfskräfte noch das Militär waren dort zu sehen.

Mit einer Andacht im Berliner Dom ist der Opfer in Japan gedacht worden. "Es sind schreckliche Bilder, die uns gestern erreicht haben", sagte der Berliner evangelische Bischof Markus Dröge in seiner Ansprache. "Und helfen konnten wir nicht." Viele Fragen ließen die Menschen ratlos und ohne Antwort zurück. Auch in den Gottesdiensten an diesem Sonntag wollen die Kirchen die Japaner in ihre Gebete einschließen.

Während in Japan die Rettungskräfte nach Vermissten suchen, beginnt auch die Suche nach den Antworten auf diese historische Zäsur.