Auf Schießständen kann sich jeder eine scharfe Waffe ausleihen und abdrücken - auch psychisch Kranke. So war es wohl beim Mord in Genthin.

Genthin/Stendal. Der Dreifachmörder von Genthin war psychisch krank und hat sich die Tatwaffe legal auf dem Schießplatz ausgeliehen, auf dem er seine drei Opfer erschoss. Der ermordete 62 Jahre alte Schießwart habe dem 28-Jährigen die Pistole samt Munition übergeben, sagte am Montag der Sprecher der Staatsanwaltschaft Stendal, Thomas Kramer. Das belege eine Quittung. Mit der geliehenen Pistole tötete der Mann am Donnerstagabend den 62-Jährigen sowie eine 44-Jährige und deren 25-jährigen Sohn, die beide vermutlich zufällig anwesend waren. Wenig später erschoss er sich selbst, in der Nähe von Haldensleben bei Magdeburg.

Die Ermittler in Sachsen-Anhalt halten den Fall für weitgehend aufgeklärt. Die bei dem 28-Jährigen sichergestellte Pistole sei eine Waffe des Schießwarts. Alle Schüsse seien außerdem mit den gleichen Patronen abgegeben worden. Ballistische Gutachten und das Ergebnis der Obduktion der vier Leichen standen zunächst aber noch aus.

Die Motive des Mannes bleiben im Dunkeln, da alle Zeugen tot sind. „Ich bin wenig optimistisch, dass wir das jemals herausbekommen werden“, sagte Kramer. Der Mann habe wegen seiner Erkrankung einige Zeit in einem Wohnheim gelebt und zuletzt weiter Medikamente genommen. Möglicherweise habe er die verschriebenen Mittel nicht eingenommen und sich deshalb nicht unter Kontrolle gehabt. Ob es zwischen Täter und Opfern einen Streit gab, blieb unklar.

In einem Telefonat habe der Mann zugegeben, drei Menschen getötet zu haben, sagte Staatsanwalt Kramer. Wen der 28-Jährige informierte, wollte er nicht sagen. Der Täter sei früher einmal Mitglied in einem Verein gewesen, der den Schießplatz in Genthin nutzt. 2009 sei er aber ausgetreten. Der 28-Jährige habe keinen Waffenschein und selbst auch keine Waffe besessen.

Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Hövelmann (SPD) forderte eine Verschärfung des Waffenrechts. „Ist es richtig, dass jeder beliebige Mensch auf einen Schießplatz kommen, dort sich gegen eine Gebühr eine Waffe und Munition ausleihen und dann auf dem Schießstand rumschießen kann?“, sagte er. „Ich finde, das ist eine zu einfache Art, an eine Waffe und Munition zu kommen.“

Der Vizepräsident des Deutschen Schützenbundes, Jürgen Kohlheim, widersprach: „Das halte ich für Aktionismus“, sagte er. Bislang habe es einen derartigen Fall noch nicht gegeben. Grundsätzlich überwache ein Platzwart die Schützen immer gut. Aber: „Man kann nicht ausschließen, dass sich jemand umdreht und jemanden erschießt.“ Sobald ein Schütze aber mit der Waffe vom Ziel abweiche, müsse eingegriffen werden. „Das ist eine Frage der schnellen Reaktion.“ Der Schützenbund hat nach eigenen Angaben bundesweit fast 1,5 Millionen Mitglieder in rund 15.000 Vereinen.

Auch der Vorsitzende des Verbandes unabhängiger Schießstandsachverständiger, Dieter Stiefel, lehnte schärfere Gesetze ab. „Sie können nicht alle Eventualitäten ausschließen. Es gibt auch Leute, die sich bewusst ins Auto setzen und in den Gegenverkehr steuern“, sagte er. Ein Schießwart könne nicht erkennen, ob ein Besucher psychisch krank sei. In der Praxis ist es laut Stiefen aber auch nicht üblich, dass völlig Fremde sich an einem Schießplatz eine Waffe ausleiten.