In Babenhausen wurde ein Ehepaar in seinem Haus erschossen. Die Tochter überlebte nur knapp. Ein Nachbar steht jetzt vor Gericht.

Darmstadt. Die Hintergründe eines Doppelmordes an einem Ehepaar im April 2009 in Babenhausen werden seit Dienstag vor dem Landgericht Darmstadt untersucht. Die Staatsanwaltschaft sieht "jahrelange Lärmbelästigung“ als Motiv für den Mord an den Nachbarn. Zehn Verhandlungstermine sind bereits angesetzt, weitere werden folgen, denn geladen sind 60 Zeugen und sechs Sachverständige. „Ich habe diesen Menschen nichts angetan“, sagte der 41 Jahre alte Angeklagte Andreas D. zur Prozesseröffnung. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Industriekaufmann aus dem bei Darmstadt gelegenen Babenhausen überdies Mordversuch vor, weil er auch die 37-jährige Tochter der Eheleute durch zwei Schüsse schwer verletzt haben soll.

Ihr Mandant werde im weiteren Verfahren schweigen, kündigten die Verteidiger an. Die beiden Anwälte halten die Beweise gegen den 41-Jährigen für nicht ausreichend und zweifeln das von der Anklage genannte Motiv an. Der Leiter der nach der Tat eingesetzten Kripo-Sonderkommission bestätigte am Dienstag als Zeuge, die Ermittlungen hätten ergeben, dass es zwischen den Eheleuten oft zu lautstarkem Streit gekommen sei. Für die Verteidigung reicht das als Motiv nicht aus.

Der Täter wartete an der Tür

Astrid T., die Tochter der beiden Opfer, ist in Darmstadt Nebenklägerin, bleibt dem Prozess aber fern. Die Frau ist geistig behindert, ein Sachverständiger wird dem Gericht über ihre vermutlich autistische Erkrankung noch Auskunft geben. Astrid T. wurde auf schlimme Weise zum Opfer, der Täter schoss ihr im Schlaf zwei Kugeln durch Kopf und Brust. Danach irrte die Frau stundenlang durchs Haus und wurde erst am Folgetag im Vorgarten des Anwesens aufgefunden.

Der Immobilienmakler Klaus T. verließ am 17. April 2009 morgens um 4.00 Uhr durch eine Souterrain-Tür das Haus der Familie. Dort wartete laut den Ermittlungen der Täter. Er schoss mit einer schallgedämpften Pistole zweimal auf den Mann und tötete ihn mit vier weiteren Schüssen im Haus. Seine Frau, Petra T., starb danach im ehelichen Schlafzimmer durch zwei Kugeln. Im Dachgeschoss ließ der Täter dann die angeschossene Tochter zurück und flüchtete.

Überlebende kann nicht aussagen

Die Staatsanwaltschaft hält den Angeklagten auch deshalb für überführt, weil er sich im Internet die Anleitung für einen Schalldämpfer-Eigenbau heruntergeladen haben soll. An der Kleidung von Andreas D., der kein Alibi vorweisen kann, fanden die Ermittler Schmauchspuren. Die Staatsanwaltschaft spricht von einer „dichten Indizienkette“, muss auf Astrid T. als Zeugin aber verzichten. „Sie kann zum Geschehen nichts aussagen“, erklärte der Kripobeamte im Gerichtssaal.

Der Ermittler zeichnet ein ungewöhnliches Bild der zum Opfer gewordenen Familie. Die Wohnung habe einem sterilen Ausstellungsraum geglichen, Hausschuhe und andere Utensilien seien auf Papiertüchern drapiert und die Kücheneinrichtung von einer Schutzfolie überzogen gewesen. „An Kochen war nicht zu denken, mittags kam ein Pizzaservice“, berichtete der Beamte. Nie sei das Gelieferte am Esstisch verspeist worden, der mit Schmucktieren voll gestellt war.

Jeden Morgen um 4.00 Uhr - diese Gewohnheit wurde dem Hausherren womöglich zum Verhängnis - sei Klaus T. zur Mülltonne gegangen, führte der Kripobeamte aus. Jedes Objekt habe er dann einzeln in der Tonne säuberlich „abgesetzt“. Ob sich Andreas D. diese überstrenge Regel des Familienvaters bei einem Doppelmord zunutze machte, will das Darmstädter Landgericht in einem aufwendigen Verfahren herausfinden. Fortgesetzt wird es am Mittwoch.