Astronauten erreichen auf simulierter Reise den Roten Planeten. 500 Tage von Außenwelt isoliert

Moskau/Hamburg. Seit mehr als acht Monaten ist Diego Urbina unterwegs, jetzt jubelte er in einer Twitter-Nachricht: "Endlich, nach 250 Tagen, können wir essen, was wir wollen!" Der 27 Jahre alte Italiener befindet sich auf einer einzigartigen Mission: Gemeinsam mit fünf anderen Männern reist er zum Mars, und setzte gestern als erster Mensch seinen Fuß auf den mehr als 200 Millionen Kilometer entfernten Roten Planeten - virtuell zumindest.

Urbina und Kollegen sind Probanden des 520 Tage dauernden Experiments "Mars500", bei dem die Reise so realistisch wie möglich simuliert werden soll. Seit dem 3. Juni 2010 sind die sechs in einer Versuchsanlage isoliert, die sich am Stadtrand von Moskau befindet. 250 Tage lang haben sie die Hinreise zum Mars geprobt, am Wochenende erreichten sie das Ziel. Udina sowie Wang Yue, 27, aus China und Alexander Smolejewski, 32, aus Russland kamen in einer nachgebauten Landekapsel auf der imitierten Marslandschaft an. Der Italiener und sein russischer Kollege stiegen gestern nach mehr als achtmonatiger Isolation erstmals für insgesamt 72 Minuten aus einem Forschungscontainer aus. Es folgen zwei weitere Erkundungsausflüge, inklusive Entnahme von Bodenproben, bevor die drei Ende Februar zu Alexey Sitew, 38, Sukhrob Kamolow, 37, und Romain Charles, 31, in die Raumstation zurückkehren und sich auf die 240 Tage dauernde Rückreise zur Erde machen.

Forscher untersuchen Auswirkungen auf Körper und Psyche

Während ihrer Expedition werden sie von Wissenschaftlern beobachtet. Was klingt wie eine bizarre Version von "Big Brother", ist aber ein Forschungsprojekt. Zwar kann noch niemand genau sagen, wann tatsächlich Menschen zum Mars fliegen werden, doch was auf die Astronauten zukommen könnte, soll schon jetzt erforscht werden. Neben der Europäischen Weltraumbehörde (Esa) ist auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) beteiligt. In Zusammenarbeit mit einem Moskauer Institut werden Untersuchungen, unter anderem zur Isolation während der Reise und zu den Auswirkungen von Stress, durchgeführt.

Peter Gräf vom DLR zeigt sich mit den bisherigen Ergebnissen der insgesamt elf deutschen Experimente hoch zufrieden. "Die Versuchssituation ist einzigartig. Da die Daten sehr kontrolliert und über einen langen Zeitraum erhoben werden, ist die Qualität sehr gut", sagte er dem Abendblatt. Die Universität Erlangen-Nürnberg, die als eine von sechs deutschen Hochschulen an Untersuchungen beteiligt ist, hat zum Beispiel erforscht, wie sich der Salzgehalt der Nahrung auf den Blutdruck von Menschen auswirkt. "Wir können nun sicher sagen, dass mit weniger Salz der Blutdruck sinkt", so Gräf.

Die "Rückkehr" der sechs Astronauten zur Erde ist für den 5. November geplant.Urbina twitterte vor Kurzem, dass die Monotonie die schwerste Herausforderung sei.