Zehn Jahre nach dem Tod des Neunjährigen hat sich ein Zeuge bei der Polizei gemeldet. Gesucht wird ein Opel Omega

Verden. Die sogenannte Situationsskizze, eine moderne Form des Phantombilds, zeigt einen bulligen Mann mit Brille am Steuer seines Wagens. Er ist Anfang 30, ein Deutscher vermutlich. Seit gut zehn Jahren jagt die Polizei diesen Serienmörder. Jetzt ist sie ihm einen womöglich entscheidenden Schritt näher gekommen.

Der Mord an dem neunjährigen Dennis K. aus Osterholz-Scharmbeck in Niedersachsen erschütterte 2001 Deutschland. Das Kind war während einer Klassenfahrt in der Nacht zum 5. September unbemerkt aus einem Schullandheim im Kreis Cuxhaven verschwunden. Zwei Wochen später fanden Pilzsammler seine Leiche 45 Kilometer vom Heim entfernt in einem Gebüsch. Der Junge war erstickt worden.

Damals wurde die "Sonderkommission Dennis" gegründet. Die Ermittler fanden Parallelen zu früheren Fällen. Vier Jungen soll der Unbekannte inzwischen ermordet und fast 40 sexuell belästigt haben. Jetzt verfolgen die Beamten eine neue Spur. Ein Jogger will den Schüler und seinen mutmaßlichen Mörder im September 2001 in einem hellen Opel auf einem Waldweg gesehen haben. Am Steuer saß jener Mann mit Brille, den die Situationsskizze darstellt, auf dem Rücksitz ein kleiner blonder Junge mit einem Hunde-T-Shirt. Der Zeuge sei sich absolut sicher, dass es sich um Dennis gehandelt habe, sagte der Leiter der Soko "Dennis", Martin Erftenbeck, gestern in Verden.

Der Zeuge war damals Soldat, trainierte am Morgen für einen Marathon

7800 Hinweisen waren die Ermittler in all den Jahren nachgegangen. Doch eine heiße Spur gab es nicht. Das könnte sich mit der Aussage des Zeugen ändern. Der Mann aus Nordrhein-Westfalen war damals als Soldat im Kreis Osterholz stationiert. Bereits am frühen Morgen, als es noch dunkel war, trainierte er für einen Marathon. Im Schein seiner Stirnlampe konnte er aber das Innere des Wagens gut erkennen. "Er machte sich kurz Gedanken darüber, lief dann aber weiter", sagte Erftenbeck. Erst im vergangenen August wandte er sich an die Polizei, als er sich nach einem TV-Bericht über die ungelösten Mordfälle an seine Beobachtungen erinnerte.

Die Fahnder hoffen, mit diesen Erkenntnissen dem Serientäter endlich auf die Spur zu kommen. Ihrer Ansicht nach handelt es sich wahrscheinlich um einen unauffälligen Mann, der nach außen hin ein ganz normales Leben führt. Die Vorstellung eines sozialen Monsters sei absolut falsch, sagte Profiler Alexander Horn vom Polizeipräsidium München. Er könne sogar verheiratet sein und Kinder haben. Auch bei dem Mörder des zehnjährigen Mirco aus dem niederrheinischen Grefrath handelte es sich um einen bisher unbescholtenen Familienvater. Die Ermittler konnten den Mann schließlich anhand seines Wagens überführen.

Auch im Mordfall Dennis könnte der helle Opel Omega Caravan oder ein BMW der 3er- oder 5er-Serie, den der Gesuchte nach Ermittlung der französischen Polizei später möglicherweise fuhr, eine wichtige Rolle spielen. Man habe schon erste Hinweise auf den Opel bekommen. Das Persönlichkeitsprofil des Mörders ist den Fahndern bekannt, nur das Gesicht dazu fehlt ihnen noch. Die Soko "Dennis" ist sich sicher, dass der Gesuchte aus Niedersachsen oder Bremen stammt oder dort lange Zeit lebte. Der Großteil der Vorfälle spielte sich in Norddeutschland ab, viele von ihnen hatten einen geografischen Bezug. Horn sagte, es sei möglich, dass der Unbekannte die Taten im Ausland während seiner Urlaube beging.

Die letzte bekannte Tat geschah 2004 in Frankreich. Gab es mehr?

Ungewöhnlich sei, dass der Täter in geschützte Räume eindringe. Zur letzten Tat kam es 2004 in einem Schullandheim in Westfrankreich. Doch das heißt nicht, dass die Mordserie damit vorbei ist. "Tatpausen sind bei Serienmördern nicht ungewöhnlich. Die Gefahr besteht immer, dass es zu neuen Taten kommen kann", sagte Horn. Der TV-Sender Vox wird am Sonnabend um 22.05 Uhr eine Dokumentation über den Fall Dennis zeigen.