“Hörzu“-Leser nominierten die besten TV-Kommissare. Wer gewinnt Goldene Kamera?

Berlin. Wenn alle Leichen obduziert, alle Morde aufgeklärt und auch der letzte Täter im Film dingfest gemacht ist, dann beginnt heute Abend der Krimi abseits der großen Leinwand. Bei der 46. Verleihung der "Goldenen Kamera" von "Hörzu" (20.15 Uhr, ZDF) ermittelt die Jury live die Preisträger der begehrten Trophäe, die an Stars des Film- und Fernseh- und Musikgeschäfts vergeben wird.

Die Ermittlungen der Juroren nehmen in der Kategorie "Das beste Krimi-Team" vor allem drei Serien ins Visier, die die "Hörzu"-Leser nominiert haben: Da trifft der unkonventionelle Macho auf den Kontrollmenschen (Henning Baum und Maximilian Grill in "Der letzte Bulle"), Kommissar auf Kommissarin, zwischen denen es leicht knistert (Florian Martens und Maja Maranow in "Ein starkes Team), und der spleenige Pathologe auf den hemdsärmeligen Norddeutschen (Jan Josef Liefers und Axel Prahl in "Tatort" Münster).

"Mich interessiert der Realismus des Films und wie viel ich wiedererkenne"

Aber was ist das eigentlich, ein guter Krimi? Weitaus mehr als die Lösung eines komplizierten Kriminalfalls, wie der für seine Doku-Dramen bekannte Filmemacher Heinrich Breloer, 68 ("Buddenbrooks"), erklärt. Er sitzt bei der Galaveranstaltung in der Jury. Auch wenn er "nicht in erster Linie ein Mann der Filmhochschule" ist, wie er sagt, der "alle Kochbücher der Filmdramaturgie gelesen hat". Dem renommierten Regisseur und Autor geht es vor allem um filmische Authentizität. "Mich interessiert der Realismus des Films und wie viel ich von unserer Welt, dem Alltag und all ihren Problemen darin wiedererkennen kann."

Aktualität zählt also für Breloer, Themen und Probleme, die auf der Straße greifbar sind und die der Autor in Geschichten verpackt. "Wichtig ist mir auch, dass der Film nicht gefällig auf den Zeitgeist-Wolken dahinsegelt. Spannend sind für mich Figuren, die eine historische Tiefenschärfe haben, deren Probleme und Verletzungen in der Vergangenheit liegen, die jahrelang unter der Wasserlinie lagen und die in der Handlung an die Oberfläche gelangen", sagte der Juror.

Eine Antwort auf die Frage, was die Faszination des Genres ausmacht, jenseits vom plumpen Mord und Totschlag, findet der Krimi-Experte Tobias Gohlis. Er ist Sprecher der sogenannten Krimi-Bestenliste und wählt monatlich zusammen mit anderen Kritikern zehn Leseempfehlungen aus. "Grundsätzlich gesprochen handelt der Krimi von Ängsten, Sehnsüchten und Lüsten, die verboten sind. Er hält uns gewissermaßen einen schwarzen Spiegel vor, der uns eine andere, abgründige Seite deutlich macht", sagt der Experte. Festgefahrene Erzählweisen lehnt der Krimi-Experte Gohlis ab: "Ein guter Krimi sollte nicht allzu offensichtlich aufgebaut sein. Wenn mir im 'Tatort' zu früh der vermeintliche Täter präsentiert wird, weiß ich, dass es der falsche ist. Das langweilt." Spannung wird, so der Fachmann, durch ausgefeilte Handlungen und Wendungen erzeugt: "Filmisch setzt das die Serie 'Im Angesicht des Verbrechens' vorbildhaft um. Oder auch der Kriminalroman 'Tannöd'."

Andrea Maria Schenkel, 48, setzt beim Aufbau ihrer Bestseller-Krimis ("Tannöd" , "Bunker") auf unkonventionelle Erzählweisen: "Mich interessiert das Unvorhersehbare. Langeweile entsteht, wenn der Zuschauer zu sehr an die Hand genommen wird. Wenn am Anfang das Chaos steht und zum Ende hin wieder alles in seiner Ordnung erscheint, und sei es noch so reißerisch erzählt - das langweilt", sagte sie dem Abendblatt. Um einen Krimi spannend zu erzählen, meint die Schriftstellerin, bedürfe es des Muts der Autoren, sich von alten Dogmen zu befreien: "Spannung wird oft nicht durch das Verbrechen an sich produziert, sondern durch die Charakterzeichnung." Am Ende eines Krimis müsse durchaus nicht die Rache oder Wiedergutmachung stehen, so Schenkel: "Von diesem Muster sollte man sich verabschieden."

Wie die Preisverleihung am Ende auch ausgehen mag, Heinrich Breloer freut sich bereits jetzt auf einen "ganz besonderen Moment", wie er betont. "Wenn ich mit Konsul Buddenbrook beziehungsweise Thomas Mann mit einem Champagner oder Sekt auf seine 'Goldene Kamera' anstoßen kann." Gemeint ist Armin Mueller-Stahl, der unter Breloers Regie die Rollen in den Mann-Verfilmungen besetzte. Der 80-Jährige wird für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Dieser Fall ist gelöst.