Viele Bahnreisende müssen an Heiligabend vor allem Geduld aufbringen. Auf manchen Strecken ging kaum noch etwas.

Wolfsburg. Nach Weihnachten ist an diesem Heiligabend 2010 vielen Fahrgästen nicht wirklich zumute. Auf dem kleinen Bahnhof im niedersächsischen Wolfsburg sind am frühen Morgen etliche Bahnreisende gestrandet, die zuvor stundenlang in liegengebliebenen Zügen auf der Strecke Berlin- Hannover fest hingen. Doch auch in Wolfsburg ist weiter Geduld gefragt, die Züge haben weiterhin Verspätung oder fallen ganz aus.

„Es bringt ja nichts, jemandem Schuld zu geben“, sagt die 22-jährige Nele Popele, die von Berlin nach Hannover zu ihren Eltern möchte. So wie die junge Frau zeigen sich die meisten Reisenden mit einem Schulterzucken geduldig bis resigniert. Britta Jessen ist am Donnerstag kurz vor Mitternacht in Berlin in den Zug gestiegen. Gegen Mittag wollte die 30-Jährige bei ihren Eltern in Passau ankommen. Doch in Stendal in Sachsen-Anhalt ging nichts mehr: Vereiste Oberleitungen brachten den Zugverkehr auf der vielbefahrenen Strecke komplett zum Erliegen. „Es gab immerhin Kaffee, und es war sehr warm“, erzählt sie über ihre Stunden im Zug.

Auch Schokolade wurde verteilt, erzählen einige Reisende. Die knappen Informationen seien allerdings nicht sehr hilfreich gewesen, war von vielen zu hören. Das galt auch für Wolfsburger, die auf Zügen warten: „Die Leute wissen ja selbst nicht, was mit ihren Zügen ist“, sagt Sebastian Priebe. Er hat gerade eine Nachtschicht bei VW hinter sich und will nun nach Hause nach Berlin.

Die mangelnde Information in Zügen und auf den Bahnsteigen gehört schon seit langem zu den größten Kritikpunkten, die der Bahn vorgehalten werden. Der Staatskonzern versucht derzeit, das mit einer Qualitätsinitiative zu verbessern. Zuletzt reagiert die Bahn flexibel. Sie nahm für die Hauptrouten in den Weihnachtszeit Zusatzzüge in die Fahrpläne. Der Eisregen machte ihr aber einen Strich durch die Rechnung.

Britta Jessen hatte am frühen Morgen versucht, ihre Fahrt fortzusetzen. Sie war mit einigen anderen Reisenden in Stendal in einen Regionalzug gestiegen, der in Wolfsburg endete. Von dort wollte sie nach Hannover – und dann weitersehen. Für Christiane und Heiko, 40 und 35 Jahre Jahre alt, hat die stundenlange Verspätung ärgerliche und möglicherweise auch finanzielle Folgen. Die beiden Wissenschaftler aus Berlin wollten von Hannover per Flieger in Richtung der Kapverden düsen. „Unser Urlaub ist nun ins Wasser gefallen“, sagt er.

Das Flugzeug war pünktlich ohne das Pärchen gestartet. In der Nacht hatten sie kurz überlegt, mit einem Taxi von Stendal nach Hannover zu fahren: „Der Fahrer wollte 280 Euro, das Risiko dann auf der Straße liegenzubleiben, war uns aber doch zu groß“, erzählt Heiko. „Wir sind schon sehr enttäuscht“, sagt Christiane und kämpft ein wenig mit den Tränen. „Die Informationspolitik der Bahn hätte besser sein müssen“, meint sie. In Berlin habe es noch geheißen, es sei alles planmäßig. Ob irgendjemand für ihre Reisekosten aufkommen wird, wissen die beiden nicht. Von Wolfsburg aus fahren sie nun wieder nach Berlin – doch erstmal wird ihre Geduld auf eine weiter Probe gestellt: 90 Minuten Verspätung heißt es zunächst schon mal.

Angelika Esch (47) und Ewald Reiter (61) haben ihren Humor trotz Warterei noch nicht verloren. Sie stehen mit einem kleinen Tannenbaum aus ihrem Garten auf dem Wolfsburger Bahnhof: „Das ist Norbert“, tauft Reiter das Bäumchen spontan. Norbert soll am Abend in Mülheim an der Ruhr bei Familie Esch erstrahlen. „Hoffentlich können wir ihn mitnehmen“, sagt Esch, die vermutlich mit total überfüllten Zügen rechnet.

Gerlind Barner (67) ist traurig: „Ich wollte um 13 Uhr in Aschaffenburg in der Kirche sein.“ Ihre Enkelkinder spielten dort beim Krippenspiel mit. Roswitha Rodat (59) wartet seit geraumer auf einen Zug in Richtung Köln, für sie steht fest:„Im Winter fahre ich nie wieder mit der Bahn.“