Erst vor zehn Tagen war der verurteilte Sexualverbrecher aus der Sicherheitsverwahrung entlassen worden. Dann griff er ein Mädchen an.

Duisburg. Ein gerade erst aus der Sicherungsverwahrung entlassener Sexualverbrecher hat in Duisburg ein zehnjähriges Mädchen angegriffen. Das Kind konnte fliehen. Der 47-Jährige wurde festgenommen, eine Richterin verhängte Untersuchungshaft wegen versuchter Freiheitsentziehung und versuchten sexuellen Missbrauchs, wie die Staatsanwaltschaft in Duisburg am Montag mitteilte. Der Täter habe das Mädchen an den Hüften gepackt und versucht, es mitzuzerren, berichtete die Staatsanwaltschaft. Das Kind habe sich aber losreißen können, sei nach Hause gerannt und habe dort den Eltern von dem Vorfall erzählt.

Der Angriff passierte gegen 17.40 Uhr - also nach Einbruch der Dunkelheit – auf offener Straße in einem ruhigen Duisburger Wohnviertel. Für die Eltern dürfte es ein Alptraum gewesen sein, das Mädchen, das alleine draußen unterwegs war, ist laut Polizei aber körperlich und psychisch wohlauf. „Sie wusste anscheinend gar nicht, was ihr da geschah“, sagte ein Polizeisprecher. Das Kind werde auch nicht psychologisch betreut.

Der Mann war erst am 18. November aus dem Gefängnis in Werl entlassen worden – es ist eine von zwei Anstalten in Nordrhein- Westfalen, in denen besonders gefährliche Sicherungsverwahrte untergebracht sind. Anlass war das umstrittene Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der die nachträgliche Sicherungsverwahrung in Deutschland gekippt hatte. Dass der verurteilte Täter nach Duisburg kommen würde, war der Polizei schon länger und der Öffentlichkeit in Duisburg seit der vergangenen Woche bekannt. Der 47-Jährige war dort bei Verwandten untergeschlüpft.

In lokalen Medien hatte es darüber bereits seit Tagen eine kontroverse Diskussion gegeben. Jetzt kocht der Streit erst recht hoch. „Wir haben immer darauf hingewiesen, dass Menschenleben konkret gefährdet sind, wenn rückfallgefährdete Täter in Freiheit kommen“, kritisierte der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt. Die Polizei könne diese „tickenden Zeitbomben“ unmöglich rund um die Uhr überwachen. „Deshalb müssen jetzt dringend die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass die sogenannten Altfälle wieder in staatliche Verwahrung kommen.“ Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft, Erich Rettinghaus, fordert sogar, die Bevölkerung zu informieren, wenn ein derart gefährlicher Täter in die Gegend zieht.

Innenminister Ralf Jäger (SPD), der selbst aus Duisburg kommt, zeigte sich betroffen und appellierte an den Bund. „Der Vorfall zeigt, das wir dringend eine gesetzliche Regelung brauchen, die für den Schutz der Menschen vor rückfallgefährdeten Sexual- und Gewalttätern sorgt“, forderte Jäger. „Bei diesen Tätern besteht immer das Risiko, dass sie wieder rückfällig werden.“ Eine Neuregelung müsse aber natürlich den Anforderungen des Europäischen Gerichtshofes standhalten.

Der 47-Jährige war 1994 in Kleve wegen sexueller Nötigung und gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden. 1998 war seine zunächst auf zehn Jahre befristete Sicherungsverwahrung nach einer Gesetzesänderung nachträglich auf unbestimmte Zeit verlängert worden. Nach dem Urteil des Gerichtshofs gab es neue Gutachten zu dem Mann. Dabei sei „die Gefährlichkeit nicht positiv festgestellt“ worden, sagte eine Sprecherin des Oberlandesgerichts in Hamm. Daraufhin musste der Mann freigelassen werden. Aus Polizeikreisen hieß es, der 47-Jährige sei in das eigens vom Landeskriminalamt geschaffene Programm „Kurs“ („Konzeption zum Umgang mit rückfallgefährdeten Sexualstraftätern“) aufgenommen worden. Nach einigen Tagen Rundum-Observation, in denen sich der Mann unauffällig verhielt, sei diese dann aber zurückgefahren worden. Kurz darauf habe er zugeschlagen.