In Paris stahl ein Kunsträuber fünf Gemälde im Wert von 100 Millionen Euro nachts aus einem Museum. Wusste er, dass die Alarmanlage defekt war?

Paris. Eigentlich kaum zu glauben, wie leicht es sein kann, einen Picasso oder Matisse zu stehlen. In Paris genügt es bisweilen, eine Scheibe einzuschlagen, um solche Millionen teuren Kunstwerke aus einem Museum zu rauben, ohne dass die Alarmanlage anschlägt. Denn die, so erklärte später der Pariser Bürgermeister Bertrand Delanoë, funktioniere seit Ende März nicht richtig.

Das muss auch einem Gauner zu Ohren gekommen sein. Jedenfalls stieg in der Nacht zum Donnerstag eine maskierte Person durch ein Seitenfenster in den Ostflügel des städtischen Museums für moderne Kunst, das in der Nähe des Eiffelturms liegt. Eine Überwachungskamera filmte den Eindringling, doch weder das Alarmsystem noch drei Wachleute im Gebäude bekamen davon etwas mit. Erst gegen sieben Uhr in der Frühe fiel einem Mitarbeiter der Diebstahl auf. Es fehlten: ein 100 Jahre altes Gemälde von Picasso sowie vier Bilder von Matisse, Braque, Modigliani und Léger; sie waren aus ihren Rahmen geschnitten worden. Schätzwert: zusammen 90 bis 100 Millionen Euro. Damit ist es einer der größten Kunstraube überhaupt.

Die Fotos der erbeuteten Meisterwerke wurden unverzüglich in die weltweite Datenbank der internationalen Polizeibehörde Interpol eingespeist, in der schon 26 000 verschwundene Kunstwerke aufgelistet sind. "Die Taube mit der grünen Erbse" von Pablo Picasso (1881-1973), "Der Olivenbaum bei Estaque" vom französischen Maler Georges Braque (1882-1963), "Frau mit Fächer" vom Italiener Amedeo Modigliani (1884-1920) sowie zwei Werke der französischen Künstler Henri Matisse (1869-1954) und Fernand Léger (1881-1920) gehören nun dazu.

Ob die Gemälde jemals gefunden werden, ist aber fraglich, denn sie sind viel zu bekannt für den Weiterverkauf. "Wir sprechen von einem theoretischen Wert", sagt Didier Rykner, Chefredakteur der Kunstzeitschrift "La Tribune de l'Art". Niemand werde die Bilder jemals auf den Markt werfen können, weil jeder in der Kunstwelt sie kenne, "sie haben keinen Warenwert". Möglicherweise verschwinden sie auf Nimmerwiedersehen in einem Tresor - Ermittler sagen, dass Diebstähle dieser Art oft Auftragsarbeit seien, bezahlt von privaten Kunstsammlern, die gern einen Picasso im Hause hätten. Und wer kommt im jüngsten Fall für den Schaden auf? "Diese Objekte sind nach unserem Kenntnisstand nicht versichert", zitiert die "Frankfurter Rundschau" Stefan Horstehmke, Managing-Direktor beim größten Kunstversicherer Axa-Art.

Der Diebstahl von Mittwochnacht und die Nachricht von der defekten Alarmanlage wirft einmal mehr die Frage auf, wie es um die Sicherheit in französischen Museen bestellt ist.

Erst Silvester hatten Kunstdiebe ebenfalls nachts aus einem Museum in der Hafenstadt Marseille ein Gemälde von Edgar Degas gestohlen, eine Leihgabe des Pariser Musée d'Orsay. Das Bild mit dem Titel "Les choristes" wird auf 800 000 Euro geschätzt. Der Staatsanwalt sprach von einem "internen Sicherheitsproblem".

Mitte September 2008 fiel im Schloss Versailles auf, dass im Südflügel zwei massive Bronzevasen fehlten, und zwar möglicherweise schon seit mehreren Wochen. Die Vasen sind 60 Zentimeter hoch und je 15 Kilogramm schwer, wie es in der Diebstahlsanzeige hieß. Unter einem T-Shirt haben sie sich vermutlich nicht hinaustragen lassen, trotzdem gibt es keine Spur.

Zwei Monate zuvor war aus dem Pariser Picasso-Museum ein Skizzenbuch des spanischen Meisters entwendet worden, das aus der Zeit von 1917 bis 1924 stammte und auf drei Millionen Euro geschätzt wird. Laut Museumsleitung war an der Vitrine nur eines von zwei Schlössern zugesperrt, der Dieb konnte sich also einfach bedienen. Gewerkschaftsmitglieder warfen damals der Chefetage vor, schon "seit Langem" gewusst zu haben, dass die Vitrine nicht richtig schließe. Sie habe die Sicherheitslücke "vernachlässigt".

Kann ein Raub wie jetzt im Pariser Zentrum auch in Hamburg passieren? Ekkehard Nümann, der Vorstandsvorsitzende der "Freunde der Kunsthalle", meint dazu: "Im Jahr 2002 hatten wir in Hamburg einen spektakulären Kunstdiebstahl. Am Tag der Kunstmeile wurde damals eine Skulptur von Giacometti gestohlen, die bis heute nicht wieder aufgetaucht ist. Aber gerade deshalb ist die Sensibilität heute besonders hoch. Unter dem neuen Geschäftsführer Roman Passarge wurde in der Kunsthalle ein neues und sehr wirksames Sicherheitssystem eingeführt. Trotzdem sind wir vor Katastrophen nicht gefeit."