Der Unbekannte sucht sich als Opfer nur Dunkelhäutige. 16 Verletzte in zehn Monaten

Stockholm. Es sollte ein gemütlicher Abend werden. Die zwei jungen Schwedinnen - beide aus Südeuropa eingewandert - kochten sich gerade Tee. Der kleine Sohn sollte eine Tasse Kakao bekommen. Da flog durch die Fensterscheibe eine Kugel in die hell erleuchtete Küche. Sie streifte eine 26-Jährige an der Seite und zerschmetterte die Hand der zweiten Frau, 26. Der Täter - das stellten Kriminologen später fest - hatte ganz nah vor dem Fenster gestanden, als er mit seiner Waffe auf die ahnungslosen Frauen zielte.

Es war der jüngste Anschlag eines Heckenschützen, der seit Anfang des Jahres in der südschwedischen Stadt Malmö Angst verbreitet. Wie viele Verletzte er inzwischen auf seinem Gewissen hat, ist unklar. Seit Januar gab es in Schwedens drittgrößter Stadt 16 bisher ungeklärte Schießereien. Ob sie alle auf das Konto des Heckenschützen gehen, kann niemand sagen. Möglicherweise hat der Täter auch schon getötet: Vor einem Jahr starb eine junge Frau, während sie in ihrem Auto saß, durch eine Kugel. Ihr Beifahrer wurde schwer verletzt. Mit diesem spektakulären Mord begann die Reihe der mysteriösen Anschläge, die vor allem eines gemeinsam haben: Alle Opfer sind dunkelhäutig.

Der Heckenschütze war insbesondere in den vergangenen Wochen aktiv. Bis zum Frühsommer gab es nur wenige Zwischenfälle, aber seitdem geht es Schlag auf Schlag. Einmal wurden drei Personen beschossen, die vor einer ärztlichen Notaufnahme für Kinder warteten, zweimal Männer an Bushaltestellen von hinten. Oft zielte der Unbekannte auf vorbeifahrende Busse, Fenster gingen kaputt, und Passagiere wurden zum Teil leicht verletzt.

Bereits im Sommer begann die Polizei aufgrund ballistischer Untersuchungen intern von einem Serientäter zu sprechen, aber erst jetzt veröffentlichte die Kripo den Verdacht, dass es sich um einen, vielleicht auch zwei Täter handeln könnte. Offenbar wollte man Panik vermeiden. Nicht ohne Grund. Seit die Heckenschützen-Theorie bekannt ist, trauen sich viele Einwanderer nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr auf die Straße. Denn der Schütze schlägt nie bei Tageslicht zu. "Er muss sich in Malmö sehr gut auskennen", folgert die Polizei.

Jan Olsson, pensionierter Chef-Profiler der schwedischen Kripo, hat ein ziemlich genaues Bild des Schützen. Er sei etwa 30 Jahre alt, und sein Ziel seien nicht unbedingt Einwanderer, obwohl "er in Vierteln zuschlägt, in denen viele Migranten leben. Hier kann es sich also wirklich um einen Zufall handeln. Er liebt es, dass die Medien über ihn berichten, und er ist sehr gründlich. Er wählt die Tatorte vorher genau aus."

Auch die Kripo in Malmö will sich nicht festlegen, dass die Anschläge rassistischen Hintergrund haben. Ermittlungschef Mats Lassén: "Wir konzentrieren uns auf rechtsradikale Kreise, aber wir untersuchen auch andere Möglichkeiten." Alle bisherigen Opfer waren Afrikaner. Die beiden Frauen, die in ihrer Wohnung am Donnerstag angeschossen wurden, kamen allerdings aus Südeuropa.

Angeblich soll nun der Stockholmer Kriminalkommissar Eiler Augustsson nach Malmö kommen und seinen Kollegen helfen. Er hatte 1993 den Heckenschützen John Ausonius dingfest gemacht, der als "Lasermann" in die Kriminalgeschichte Schwedens eingegangen ist. Ausonius hatte mit einem Gewehr mit Laser-Zielvorrichtung auf Einwanderer geschossen, zehn wurden schwer verletzt, einer starb. Ausonius, der sich sein Leben als Bankräuber finanzierte, hatte seine Anschläge damit erklärt, dass er einerseits die Polizei von seinen Banküberfällen ablenken wollte, andererseits Einwanderer hasste.

Obwohl nicht geklärt ist, ob der "neue Lasermann", wie der Täter inzwischen genannt wird, aus rassistischen Gründen schießt, hat sich Einwanderungsminister Erik Ullenhag zu Wort gemeldet. "Wir dürfen niemals eine Gesellschaft akzeptieren, in denen Menschen ausländischer Herkunft Angst haben müssen, vor die Tür zu gehen."