Die Modeschöpfer übertrafen sich bei den Prêt-à-porter-Schauen mit pompösen Auftritten

Paris. Die goldene, fast noch sütterlinsche Schrift war kaum zu lesen auf dem schwarzen Leinen, aber wenn Modewoche ist in Paris und Louis Vuitton zur Prêt-à-porter-Schau einlädt, dann wissen die Gäste, wohin, nämlich in das Zelt im Innenhof des Louvre. Wie immer. Klar. Nur, was sie dort erwartet, ist jedes Mal im positiven Sinn ungewiss. Denn in Paris, dem Platz für die Fantasie im Fashionzirkus, leisten sich die Modehäuser noch die große Inszenierung, nicht nur bei der Haute Couture, sondern auch bei den Prêt-à-porter-Schauen, die Mittwochabend mit Miu Miu zu Ende gingen.

Bei Hermès schnaubten in der Abschiedsschau von Jean-Paul Gaultier echte Pferde, Karl Lagerfeld hatte im imposanten Grand Palais quasi den Garten von Versailles aus schwarzem Styropor aufbauen lassen, einschließlich echtem Springbrunnen und hellem Kies, über den 70 Models in den schönsten und romantischen Kleidern und Kostümen flanierten wie einst "die Herrschaften in Marienbad", wie Lagerfeld es nannte. Und nachsetzte, sehr typisch: "Ich zeige doch nicht nur 20 Teile, sondern alles, was in den Geschäften im nächsten Sommer sein wird." Chanel weiß, wie man eine Marke auflädt, die Luxus verspricht, einschließlich 80 (!) Mann Orchester. Entzückend war auch der Vater mit seinem kleinen Kind im Chaneljäckchen, was allerdings kein Hinweis auf eine kommende Baby-Kollektion sein sollte, sondern eine Selbstverständlichkeit an einem Vormittag im Park.

Marc Jacobs - der zwischendurch sogar als Nachfolger vom großen Karl gehandelt wurde, was aber noch ganz und gar nicht zur Debatte steht - hatte in Vorbereitung auf seine Schau für Louis Vuitton noch einmal den alten Aufsatz von Susan Sontag "Notes on Camp" gelesen und ein Zitat seiner Inszenierung vorangestellt. "Die Beziehung von Gelangweiltheit und Camp-Geschmack kann gar nicht überschätzt werden. Der Camp-Geschmack ist von seiner Natur her nur möglich in Wohlstandsgesellschaften, in Gesellschaften oder Zirkeln, die in der Lage sind, die Psychopathologie von Verwöhntsein zu erleben." Was sollte man derart eingestimmt, vor sich ein Laufsteg wie aus hoch poliertem, schwarzem Marmor, erwarten? Schon 1964 hatte die amerikanische Feministin und verstorbene Lebensgefährtin von Annie Leibovitz über den Begriff philosophiert, der merkwürdigerweise aus der Mode gekommen ist, obwohl er doch so perfekt in unsere Zeit passt, meint doch Camp so etwas wie die - durchaus ironisch zu verstehende - Übertreibung und Überhöhung von Produkten, von Kulturen. "Camp", schrieb sie, sei ein "privater Code zwischen urbanen Gemeinschaften." Dass sie in dem Aufsatz zugleich eine Brücke zu den Einflüssen der Homosexualität auf die Hochkultur schlug, mag nur damals irritiert haben.

In Jacobs Camp für Louis Vuitton traten in jedem Fall köstlich ironisch und wunderschön zugleich Figuren wie aus den 20er-Jahren in Hongkong heraus, lasziv und kostbar.

Der Gegentyp zu dem adretten Retro-Frauenbild, das Marc Jacobs in der Kollektion unter seinem eigenen Namen in New York gezeigt hatte. Um noch einmal Susan Sontag zu zitieren: "Geschmack unterliegt keinem System und keinen Beweisen. Aber er folgt einer anhaltenden Sensibilität, die dem Geschmack untergeben ist und ihn zugleich erhöht."