Der Sexualaufklärer Oswalt Kolle starb bereits vor einer Woche in Amsterdam. In den 60-er Jahren sorgte er mit seinen Werken für Aufruhr.

Berlin. Der "Aufklärer der Nation", Oswalt Kolle, ist tot . Er starb, wie erst jetzt bekannt wurde, am 24. September kurz vor seinem 82. Geburtstag in Amsterdam. Das meldet welt.de . Am heutigen Freitag fand die Trauerfeier statt.

Fast sein ganzes Leben widmete Oswalt Kolle einer einzigen Idee: Niemand sollte die Lust an der Liebe unterdrücken müssen. Weil er einer der Ersten war, der dieses Lebensgefühl nicht nur empfand, sondern auch dafür kämpfte, wurde Kolle in den 1960er Jahren zum "Aufklärer der Nation": Zunächst in Zeitungsberichten und dann in Kinofilmen, die weltweit von 140 Millionen Menschen gesehen wurden, propagierte er eine lustvolle Sexualität.

Kolle wurde am 2. Oktober 1928 in Kiel geboren. Sein Vater Kurt war ein bekannter Psychiater, sein Onkel Helmut Maler und – für die damalige Zeit ausgesprochen ungewöhnlich – bekennend homosexuell. Er sei sehr liberal erzogen worden, berichtete Kolle später. Da er nicht in die Fußstapfen des Vaters treten wollte, machte Kolle nach einer landwirtschaftlichen Lehre das Abitur und dann ein Zeitungsvolontariat.

Sein Vater brachte Kolle zu seinem späteren Lebensthema: Er ließ ihn 1948 den vom US-Forscher Alfred Kinsey erstellten ersten Kinsey-Report über die Sexualität des Mannes übersetzen. Später schrieb Kolle als Boulevard-Journalist in verschiedenen Zeitungs-Serien immer wieder über Sexualität, ohne aber daraus den Schwerpunkt seiner Arbeit zu machen. Erst als er als Journalist der „Quick“ bei einem Bericht über einen Sex-Skandal zensiert wurde, empfand Kolle das Bedürfnis, fortan für eine neue Sexualmoral zu schreiben. „So hat mich eigentlich erst die Bundesprüfstelle zum Chefaufklärer in Deutschland gemacht“, sagte er später.

Sein größter Erfolg war in den 60er Jahren eine Serie über die Sexualität der Frau für die „Neue Revue“. Als er Leserinnen bat, ihre Erfahrungen zu berichten, bekam er 10.000 Antworten. „Der Tenor dieser Briefe war unisono, dass Frauen mit gleichaltrigen Partnern nur negative Erfahrungen gemacht hatten. Sie schrieben: 'Das soll schön sein? Das ist wie Vergewaltigung!'“. Es entstanden aus diesen Berichten und Gesprächen mit Ärzten und Wissenschaftlern die Bücher „Dein Mann, das unbekannte Wesen“ und „Deine Frau, das unbekannte Wesen“, die später verfilmt wurden.

Kolles erster Film aber war „Das Wunder der Liebe – Sexualität in der Ehe“, der 1968 in die Kinos kam. Jede einzelne Szene habe er mit den Zensoren diskutieren müssen. „Herr Kolle, Sie wollen wohl die ganze Welt auf den Kopf stellen, jetzt soll sogar die Frau oben liegen“, empörte sich einer der Zensoren. Doch sechs Millionen Menschen alleine in Deutschland sahen den Film, der auch international zum Erfolg wurde.

Kolle verspürte nun einen inneren Auftrag, wie er selbst sagte: „Die Idiotie der Jungfräulichkeit, Homosexualität, Abtreibung und natürlich die Sexualität zwischen Mann und Frau“ habe er thematisieren wollen. Er habe die „Erotik der Frauen sexualisieren, und die Sexualität der Männer erotisieren“ wollen. Doch was Kolle da tat, war für viele ein Skandal. Die katholische Kirche verbreitete Aushänge, dass Katholiken die Kolle-Filme nicht sehen dürfen. Katholische Firmen drohten mit Anzeigenboykotten, wenn Zeitungen die Filme besprachen. Eine Zeitung verglich Kolle gar mit Adolf Hitler: „Was ich mache, sei schlimmer, als der zweite Weltkrieg. Plötzlich hatte ich die Bürgerlichen und die Katholiken als Gegner“, sagte Kolle.

Doch je stärker sich die entkrampfende Wirkung der Kolle-Filme auf die verklemmte Bundesrepublik zeigte, je mehr bekam dieser auch Anerkennung. Die „Zeit“ schrieb, Kolle sei der mutigste Kämpfer für die „Entteufelung des Unterleibs“ gewesen. Bis an sein Lebensende blieb er seinem Thema treu, zuletzt warb er für einen offeneren Umgang mit der Sexualität von alten Menschen .

Kolle hinterlässt seine Lebensgefährtin und drei erwachsene Kinder. Seine Frau Marlies war 2002 gestorben. Die beiden hatten von Anfang an eine offene Ehe geführt, Kolle hatte dabei unzählige Affären mit Männern und Frauen wie etwa Schauspielerin Romy Schneider – trotzdem hielt die Ehe 48 Jahre.