Im Internet werden immer mehr Klangdateien als Rauschmittel angeboten. Experten sehen jedoch keine Suchtgefahr wie bei Kokain oder LSD.

Paris. Wie Elektrobeats klingen die Töne, doch durch spezielle Frequenzen werden die Hirnströme so verändert, dass eine Wirkung wie bei LSD, Kokain oder Marihuana eintreten soll – vom schrecklichen Alptraum bis hin zur glücklich-trancehaften Entspannung. Im Internet lassen sich solche „Hördrogen“ herunterladen, und nun hat eine Neuropsychologin in Paris nachgewiesen, dass diese Töne tatsächlich den Geistes- und Gemütszustand der Konsumenten beeinflussen. Noch wird über die Wirkung der „Hördrogen“ nur in speziellen Internetforen diskutiert; ein langfristiger Konsum kann aber womöglich schädlich sein.

Dass Klänge und Schall die menschliche Psyche beeinflussen, ist hinlänglich bekannt – schließlich werden bestimmte Töne oder laute Musik schon lange auch als Folterinstrumente von Militärs und Geheimdiensten eingesetzt. Neu ist an den „Hördrogen“, dass sich der Kunde jetzt gezielt aussuchen kann, in welche Art Rausch er sich versetzen lassen will: Im Angebot sind Varianten von Alkohol über Kokain bis hin zu Ecstasy oder LSD. Speziell kreierte Klänge sollen den gewünschten Zustand erzeugen. Dabei werden in beide Ohren Tonpaare übertragen, die zwar ähnlich sind, deren Frequenz sich aber unterscheidet.

„Mit dieser Methode ist es möglich, das Gehirn dazu zu bringen, die gewünschten Wellen hervorzubringen: zum Beispiel langsame Wellen, die mit dem Zustand der Entspannung in Verbindung stehen, oder viel schnellere Wellen, die zu Wachsamkeit und Konzentration führen“, berichtet die Neuropsychologin Brigitte Forgeot, die eine wissenschaftliche Arbeit über die klinischen und neuropsychologischen Wirkungen beim Anhören dieser Tonpaare geschrieben hat.

Im Internet lassen sich auf der nach eigenen Angaben führenden Website fast zweihundert verschiedene Hördateien zu Preisen zwischen 2,50 und 199,95 Dollar (1,90 bis 154 Euro) herunterladen. Die passenden Kopfhörer werden gleich noch mitverkauft – damit die Wirkung verbessert wird. Eine der teuersten „Hördrogen“ namens „Tor zum Hades“ soll laut Anbieter 30 Minuten lang einen fürchterlichen Alptraum hervorrufen.

Seit 2007 wurden die verschiedenen Dateien 1,4 Millionen Mal abgerufen, allein in der vergangenen Woche 18.000 Mal. Außerdem werden im Internet – wie beim wirklichen Drogengeschäft auf der Straße – auch „Dealer“ angeheuert, die die „Hördrogen“ weiterverkaufen sollen und dafür Provision kassieren können.

Die Wirkung der Klangmodule ist bei den Konsumenten aber höchst umstritten. In Internet-Foren ist wiederholt die Rede von „Placebo“. Ein Nutzer schreibt: „Hab ’Alkohol’ getestet, null Wirkung, das Einzige, was ich gespürt hab, war Schlaftrunkenheit.“ Andere widersprechen: „Hab wegen ’cocain’ gesehen, wie das Poster an meiner Wand mir die Zunge rausgestreckt hat“, berichtet einer. Die Anbieter verweisen vorsorglich darauf, dass ihre „Hördrogen“ nur bei 80 Prozent aller Menschen funktionieren. Ein Internet-Nutzer meint dazu lapidar: „Wenn es wirken würde, wäre es weiter verbreitet.“

Neuropsychologin Forgeot hält zwar einen Effekt für messbar und nachweisbar, die Suchtgefahr der Töne aber für gering. „Die Wirkung hört auf, sobald das Zuhören beendet wird“, sagt sie. Es trete kein Gewöhnungseffekt ein, und der Konsument verspüre auch nicht den Drang, die Dosis zu erhöhen. Auch die Bundesdrogenbeauftragte in Berlin ist noch nicht aufgeschreckt. „Hördrogen“ seien bisher „kein Thema“, heißt es in ihrem Büro. Ganz ungefährlich ist der Konsum der berauschenden Töne aber wohl auch nicht. Laut Forgeot können bei intensivem Gebrauch langfristige Schäden bleiben: Schlafstörungen etwa oder Angstzustände.