Ein halbe Jahr nach dem verheerenden Erdbeben in Haiti sind noch immer 800.000 Kinder in Notaufnahmelagern großen Gefahren ausgesetzt.

Berlin. Ein halbes Jahr nach dem verheerenden Erdbeben in Haiti haben Hilfsorganisationen den schleppenden Wiederaufbau in dem verarmten Karibikstaat kritisiert. Trotz massiver internationaler Hilfe nach dem Erdbeben am 12. Januar seien weiter mehr als 800.000 Kinder in Notaufnahmelagern „in hohem Maße von Krankheiten, Mangelernährung, Ausschluss von Bildung sowie Missbrauch und Gewalt bedroht“, warnte das UN-Kinderhilfswerk UNICEF am Montag in einer in New York veröffentlichten Zwischenbilanz. Es rief die internationale Gemeinschaft dazu auf, Schutz und Hilfe für die besonders benachteiligten Kinder zu verstärken. „Die Kinder brauchen weiter dringend unsere Unterstützung. Zu viele leben immer noch unter inakzeptablen Bedingungen“, erklärte die UNICEF-Leiterin in Haiti, Françoise Gruloos-Ackermans. Die Deutschen haben den UNICEF-Einsatz in Haiti nach Angaben des Hilfswerks aus Berlin bisher mit Spenden in Höhe von mehr als zehn Millionen Euro unterstützt. Bei dem Erdbeben der Stärke 7,0 waren zwischen 250.000 und 300.000 Menschen ums Leben gekommen. Haitis ohnehin marode Infrastruktur wurde weitgehend zerstört.

Als großen Erfolg der internationalen Hilfe werte UNICEF die Tatsache, dass es bisher gelungen sei, Hunger und Epidemien in Haiti zu verhindern. Allerdings sei ein nachhaltiger Wiederaufbau noch lange nicht erkennbar. Nach Einschätzung von UNICEF muss die eigentliche Nothilfe noch mindestens 18 Monate weitergehen, damit die humanitäre Krise sich nicht verschärfe. Schließlich lebten noch immer 1,6 Millionen Menschen in überfüllten Notlagern, fast die Hälfte davon Kinder. Ministerien und öffentliche Verwaltungen seien nur eingeschränkt handlungsfähig. Darüber hinaus erwarten Meteorologen mit der beginnenden Hurrikan-Saison in den kommenden Wochen schwere Stürme und Regenfälle, durch die Überschwemmungen in den Notlagern drohen.

Auch das katholische Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat bemängelte den schleppenden Fortgang des Wiederaufbaus. Das Leben der Haitianer sei momentan „nicht auszuhalten“, sagte der Abteilungsleiter für Adveniat-Projekte, Thomas Wieland, im Deutschlandradio Kultur. Die haitianische Regierung verlasse sich zu stark auf die internationale Hilfe. Sie habe jetzt eine Bringschuld, sinnvolle Hilfsprojekte vorzuschlagen. Wieland führte aus, dass die haitianische Regierung wenig Vertrauen bei der internationalen Gemeinschaft genieße. So müssten die Hilfsorganisationen oft lange warten, bis Güter aus dem Hafen freigegeben würden, weil es „in den Regierungsstrukturen auch den Wunsch gibt, sich selbst zu bereichern“.