Fußballlegende Timo Konietzka nahm sich im Alter von 73 Jahren das Leben. Er war Mitglied im umstrittenen Schweizer Sterbehilfeverein.

München/Brunnen. Das Zuspiel kam von links, dann schoss Timo Konietzka den Ball aus sechs, sieben Metern wuchtig ins Tor. Es war der 24. August 1963, die neu gegründete Fußballbundesliga war gerade 35 Sekunden alt, als sich der damals 25 Jahre alte Konietzka unsterblich machte - 1:0 für Borussia Dortmund bei Werder Bremen. Ein Tor für die Ewigkeit von einem Menschen, der gern 100 Jahre alt geworden wäre. Timo Konietzka allerdings hat seinem Leben am Montag selbst ein Ende gesetzt, nach 73 Jahren und acht Monaten.

Friedhelm Konietzka, geboren am 2. August 1938 im westfälischen Lünen, genannt Timo, weil er dem sowjetischen Verteidigungsminister Semjon Konstantinowitsch Timoschenko (1895-1970) so ähnlich sah, wählte den Freitod. Begleitet von Vertretern des Schweizer Sterbehilfevereins Exit trank er einen Giftcocktail, der das Herz aussetzen ließ. Um 18.52 Uhr schlief er ein.

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Die "Bild"-Zeitung zitierte gestern aus einer Todesanzeige, die Konietzka selbst geschrieben hat. "Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich bei Exit bedanken, die mich am Montagnachmittag von meinen Qualen erlöst und auf dem schweren Weg begleitet haben", heißt es darin.

Seinen Tod hatte er geplant. Konietzka war Mitglied bei Exit, trat als Botschafter des Vereins auf. In der Schweiz, wo er seit 45 Jahren lebte und deren Staatsbürger er seit 1988 war, ist Sterbehilfe erlaubt. Schon vor einem Jahr, nach einer zweiten Herzattacke, sagte er in einem Interview: "Ja, ich plane meinen Tod." Wenn es so weit sei, werde er sagen: "Jetzt nehme ich den Schluck. Macht's gut!"

Konietzka war ein Kämpfer. Sein Wille zu leben war groß: "Ich will 100 Jahre alt werden", betonte er, doch er wollte das Ende auch "nicht in Gottes Hände legen". Timo Konietzka hat viele dahinsiechen sehen, Freunde und Verwandte. Eine Schwester und ein Bruder starben an Krebs, die Mutter war im Pflegeheim. "Sie hat mich nicht mehr wiedererkannt. Ich will kein Pflegefall werden, angeschlossen und künstlich am Leben erhalten von Geräten. Das will ich mir ersparen."

Ende 2011 überstand Konietzka eine weitere Herzattacke, im Februar wurde dann Gallensteinkrebs bei ihm entdeckt. Er wurde operiert, es half nichts. Am Dienstag vergangener Woche habe sie ihren Mann aus dem Krankenhaus holen dürfen, berichtete seine Frau Claudia der Schweizer Tageszeitung "Blick", für die Konietzka Kolumnen verfasste. "Die letzten Tage waren ganz, ganz schön. Timo konnte nochmals seine kleinen Enkel sehen. Er hat auch noch ein Bier getrunken."

Er habe, schrieb Konietzka in seiner Todesanzeige, "ein langes und doch so kurzes Leben" gehabt. Seine größten Erfolge als Spieler waren zwei deutsche Meisterschaften, eine mit Borussia Dortmund (1963), die andere mit 1860 München (1966). Dazu kam der Sieg im DFB-Pokal mit Dortmund (1965). In 100 Spielen in der Bundesliga erzielte Konietzka 72 Tore. In den neun Länderspielen für Deutschland waren es drei. Seine Karriere als Spieler endete 1971 beim FC Winterthur in der Schweiz.

Zwischendurch sorgte Konietzka für einen Skandal. Am 24. Oktober 1966 wurde er im Spiel gegen Dortmund nach einem "Zusammentreffen" mit Schiedsrichter Max Spinnler vom Platz gestellt und für sechs Monate gesperrt. Es ist die längste Sperre in der Bundesliga-Geschichte für einen Platzverweis.

Nach der Karriere hat Konietzka bis 1994 als Trainer gearbeitet, auch in Dortmund und bei Bayer Uerdingen, erfolgreich aber war er in der Schweiz. Dort wurde er dann auch sesshaft. Mit seiner Frau, einer Gastronomin, führte er zuletzt den Ochsen, ein Hotel in Brunnen am Vierwaldstättersee.

Den selbstbestimmten Abschied aus dem Leben hat Konietzka auch als Entlastung für seine Frau und Familie bezeichnet. Angst vor dem Tod hatte der Sohn polnischer Einwanderer nicht. Angst habe er nie im Leben gehabt. "Höchstens mal, wenn so ein Zwei-Meter-Mann vor dem Spiel kam und zu mir sagte: ,Hömma! Du siehst heute keinen Ball oder ab mit dir ins Krankenhaus!'" Und auf die Frage, ob sein letzter Moment denn ein glücklicher sein werde, hat er vor einem Jahr mit großer Gelassenheit gesagt: "Ja, definitiv."

Von seinem ersten Tor gibt es keinen Film, kein Foto: "Ich habe über Jahre versucht, ein Dokument zu finden", sagte er, 1000 Mark Belohnung hatte er sogar ausgesetzt, ohne Erfolg. Mit Vergnügen hat Konietzka das Tor deshalb vor einem Jahr nachgestellt, als Reporter ihn mit einer Videokamera besuchten: ein Zuspiel von links, dann schießt Konietzka den Ball aus sechs, sieben Metern wuchtig ins Netz.

Nach Konietzkas Suizid hat die Deutsche Hospiz-Stiftung die Geschäfte der Schweizer Sterbehilfeorganisationen scharf kritisiert. Es sei "entsetzlich", dass diese "immer wieder versuchen, durch die Suizidbegleitung von Prominenten Öffentlichkeit für ihr Geschäftsmodell zu erlangen", sagte Eugen Brysch. Es sei gut, dass sich die Regierungskoalition darauf verständigt habe, Geschäfte mit Sterbehilfe zu verbieten. In der Schweiz ist es legal, anderen Menschen die Mittel zum Selbstmord zur Verfügung zu stellen und sie dabei zu begleiten, sofern der Helfer nicht vom Tod profitiert.