Vorarlberg war sogar zeitweise vom Rest der Welt abgeschnitten. Hubschrauber versuchen, die Schneemassen von den Bäumen zu blasen.

Wien. Auf so viel Schnee war selbst das Messgerät der ältesten Bergbahn am Arlberg nicht vorbereitet. 4,13 Meter zeigte die Anzeige an der Talstation der Galzig-Bahn, doch der Betriebsleiter der Arlberger Bergbahnen misstraute dem Wert. "Die Schneemessstelle ist zu kurz", sagte Hannes Steinlechner im österreichischen Fernsehen, "wir sind selber von der Schneehöhe überrascht worden." Tatsächlich liegt mindestens ein Meter mehr Schnee, als das Gerät angibt. In der Nacht zu gestern hatte es schließlich wieder ordentlich geschneit.

Die meisten Pisten und Loipen sind offen

Der Winter hat in den Alpen einen neuen Höhepunkt erreicht. Wegen Lawinengefahr mussten gestern zwischenzeitlich alle Straßen von Tirol nach Vorarlberg gesperrt werden, auch die Bahnstrecke war nicht befahrbar, das "Ländle", wie die Österreicher ihr westlichstes Bundesland nennen, vom Rest der Welt abgeschnitten. Tausende Urlauber saßen in Wintersportorten fest. Allein in Lech und Zürs waren rund 13 000 Menschen eingeschneit, Einheimische und Tourismusangestellte mitgezählt. Bürgermeister Ludwig Muxel nahm es gelassen. "Viele Gäste, die zu uns kommen, kennen das schon", sagte er. "Andere sagen mir, wie schön sie es finden, einmal so einen Winter zu erleben." Zumal es viel zu tun gebe: Die meisten Pisten seien offen, die Loipen sowieso und die Straßen im tief verschneiten Dorf geräumt. Die Versorgung sei selbstverständlich auch gesichert, sagte Muxel, die Hoteliers seiner Gemeinde seien Schnee gewohnt und sorgten vor. Das Schneetreiben könnte fünf bis sechs Tage andauern, ohne dass ein Eingeschneiter fürchten müsste, am Frühstücksbüfett nicht mehr die volle Auswahl zu haben.

Von den Betroffenen sind nach Angaben des Lecher Bürgermeisters nur etwa 40 bis 50 unfreiwillig im Ort, da die Straßen am Sonnabend zeitweise offen waren. Sie müssten ihre Extra-Tage in Lech zwar im Regelfall selber zahlen, sagte Muxel, beschwert habe sich aber noch niemand. Wie lange die Sperre noch dauert, würden Lawinenexperten entscheiden, sobald es ihnen das Wetter erlaube, sich von einem Helikopter aus ein Bild von der Lage zu machen und potenzielle Lawinen zu sprengen.

Bei aller Gelassenheit eines echten Lechers kann sich Ludwig Muxel aber nur an wenige Winter mit solchen Schneemassen erinnern. Vor genau 30 Jahren habe es einen gegeben, im Jahr 2000 und natürlich 1999, da waren die Lecher einmal acht und einmal sieben Tage lang eingeschneit. So weit ist es noch nicht und wird es auch nicht kommen, hofft nicht nur Ludwig Muxel. Vor allem die Bewohner von Galtür im benachbarten Bundesland Tirol hoffen auf Wetterbesserung. Dort kostete 1999 eine Lawine 31 Menschen das Leben.

Die Straße nach Galtür und zu den anderen Orten im Paznaun, einem Tal im Westen Tirols, war gestern ebenfalls gesperrt. Andreas Steibl vom regionalen Tourismusverband wollte die Betroffenen aber keineswegs als Eingeschneite oder gar Festsitzende bezeichnen. Der Urlauberwechsel habe am Sonnabend stattfinden können, sagte er, und die neuen Gäste würden nun "einen ganz normalen zweiten Urlaubstag" in Ischgl, Kappl oder eben Galtür verbringen. Die Atmosphäre sei "sehr entspannt", und das Wetter bessere sich. Mit dem Unglücksjahr 1999 lasse sich die Situation nicht vergleichen.

Damals habe es schon zwei Monate extrem viel geschneit, dieses Jahr hingegen hätten zu Saisonbeginn alle noch gezittert, ob man überhaupt werde aufsperren können. "Unsere Saison dauert bis Mai, da freuen wir uns über viel Schnee, auch wenn der Winter, sagen wir mal, von null auf 100 gestartet ist." Mithilfe von Black-Hawk-Hubschraubern sei es den Einsatzkräften gelungen, die Arlbergschnellstraße wieder befahrbar zu machen, meldete gestern der Österreichische Rundfunk. Die Helikopter hätten vor allem Schnee von den Bäumen geblasen.

Ein 15 Jahre alter Jugendlicher wird seit Sonnabend vermisst

Nicht überall ging das Schneechaos glimpflich aus. Gestern waren noch immer 7200 Haushalte in Tirol ohne Strom. Eine 36-jährige Polin war laut der Nachrichtenagentur APA auf einer Skipiste in der Nähe Kufsteins von einem umstürzenden Baum getroffen und am Bein verletzt worden, im Bezirk Schwaz hatten zwei deutsche Autofahrer einen Unfall ausgelöst, in den sieben Autos involviert waren. In der Gegend um Axamer-Lizum in Tirol wurde außerdem die Suche nach einem 15 Jahre alten Snowboarder aus Deutschland fortgesetzt, der seit Sonnabend vermisst wird. So hütete sich der Bürgermeister von Lech, das Schneetreiben allzu sehr zu romantisieren: Es lehre Demut, sagte Ludwig Muxel. Viele Menschen meinten, alles im Griff zu haben, aber mit der Natur müsse man vorsichtig sein, und zwar immer.