Urteil im Fall Jakob von Metzler. Sein Mörder muss für 20, vielleicht sogar für 40 Jahre hinter Gitter.

Frankfurt. Mausgraues T-Shirt, dezent kariertes Oberhemd, braunes Sakko, blaue Bundfaltenhose. In dieser Studentenkluft wäre Magnus Gäfgen (28) im Vorlesungssaal niemandem besonders aufgefallen. Ganz anders gestern, um 13.06 Uhr, im Landgericht Frankfurt am Main. Da stand der angehende Jurist und Mörder des Bankierssohnes Jakob von Metzler (11) für Sekunden im Blitzlichtgewitter und weitere 90 Minuten im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses - wahrscheinlich zum letzten Mal in den kommenden 20 Jahren. So lange nämlich sitzen zu lebenslanger Haft verurteilte Straftäter durchschnittlich im Gefängnis, wenn sie nicht schon nach 15 Jahren vorzeitig auf Bewährung entlassen werden. Aber eben diese Möglichkeit schloss der Vorsitzende Richter Hans Bachl gestern ausdrücklich aus: Er verkündete außer einer lebenslangen Freiheitsstrafe für Gäfgen auch eine besondere Schwere der Schuld. Dies könnte theoretisch sogar 40 Jahre oder noch mehr Haft nach sich ziehen und hängt von einer späteren Entscheidung der Justiz ab. Grund genug für Gäfgens Verteidiger Hans Ulrich Endres, "mit hoher Wahrscheinlichkeit" Revision oder sogar Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil einzulegen. Gäfgen, nach eigener Einschätzung ein "lieber, netter Mensch", hörte mit kühl-distanziertem Blick und ohne erkennbare Gefühlsregung der Urteilsbegründung zu. 90 Minuten benötigte Bachl, um zu erläutern, warum der Student für die Entführung und Ermordung Jakob von Metzlers vor zehn Monaten die höchst mögliche Bestrafung verdient. Die Eltern des Opfers hörten dies nicht: Sie waren dem Prozess (17 Verhandlungstage) von Anfang an ferngeblieben. Dass die Polizei Gäfgen Folter angedroht hatte, durfte nach Ansicht des Gerichts keinen Einfluss auf das Urteil haben. Es lautet auf heimtückischen Mord in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub mit Todesfolge sowie falsche Verdächtigung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung - und nennt zwei Tatmotive: "Gäfgen wollte mit der erpressten Million Euro ein luxuriöses Leben im Kreis seiner wohlhabenden Freunde weiterführen und der ,Liebe seines Lebens' weiterleben, aber auch seine ,Maske' ihnen und sich selbst gegenüber aufrechterhalten. Dafür musste ein Kind sterben. Der Angeklagte hat Jakobs Tod gewollt, weil der Junge ihn verraten hätte." Bachl bezeichnete den Studenten als "unbarmherzig, skrupellos und maßlos geldgierig". Der Angeklagte hatte gelogen, indem er behauptete, er stehe finanziell gut da, weil er bereits in einer renommierten Anwaltskanzlei arbeite. Gäfgen, der mit 27 Jahren seine erste feste Freundin (Katha, 16) hatte, die ihn in den finanziellen Ruin getrieben haben soll, habe sich subjektiv in einer ausweglosen Lage gesehen, als er kein Geld mehr hatte. Bachl: "Das ist für Außenstehende fast nicht nachvollziehbar." Der Student entwarf seit Juni 2002 einen minutiösen Plan für das Verbrechen. Der Tod Jakobs im September stand laut Bachl seit August fest. Jakob habe seinen etwa zwei Minuten dauernden, qualvollen Todeskampf bewusst miterlebt, sagte der Richter. Er begründete die besondere Schwere der Schuld Gäfgens damit, dass gleich drei eigenständige Mordmerkmale zuträfen, dass "höchste kriminelle Energie" zum Ausdruck komme, dass der Täter den Eltern Jakobs über mehrere Tage hinweg schwerste seelische Qualen zugefügt und er drei andere Männer zu Unrecht beschuldigt habe. Die entlastenden Momente - keine Vorstrafen, Unreife und ein Geständnis - wiegen nach Ansicht der Richter die schwere Schuld nicht auf. Zudem liege keine krankhafte seelische Störung vor. Die Strategie der Verteidigung habe darauf gezielt, mit einem freiwilligen Geständnis zu erreichen, dass von einer besonderen Schwere der Schuld abgesehen würde. Er müsse betonen, dass das Gericht zu keiner Zeit Zugeständnisse gemacht habe, so Bachl. Die Forderung des Verteidigers Ulrich Endres, wegen der Folterandrohung von einer besonderen Schuldschwere abzusehen, wies das Gericht zurück. Das Vorgehen des Polizeivizepräsidenten Wolfgang Daschner habe eine in der Rechtsgeschichte wohl einmalige Debatte ausgelöst, und "mit der Folterdrohung hat die Polizei der Rechtskultur dieses Landes schweren Schaden zugefügt", sagte Bachl. Aber dieses Fehlverhalten dürfe sich nicht auf das Urteil auswirken. Mit dem Strafmaß folgte das Gericht den Anträgen von Staatsanwaltschaft und Nebenklage. Ein Sprecher der Opferschutzorganisation Weißer Ring nannte das Urteil "akzeptabel und nachvollziehbar". Wer wie Gäfgen ein derart schweres Verbrechen begehe, voll schuldfähig und geständig sei, müsse mit der höchstmöglichen Sanktion rechnen.