Die Erdstöße der Stärke 7,1 in der Provinz Qinghai überraschten viele Menschen am frühen Morgen im Schlaf. Es herrschte Chaos und Panik.

Peking. Ein schweres Erdbeben hat am Mittwoch eine abgelegene Region in Chinas westlichem Hochland verwüstet. Fast 600 Menschen wurden amtlichen Angaben zufolge getötet, etwa 10. 000 weitere verletzt, unzählige Opfer unter Trümmern begraben. Die Rettungsarbeiten kamen nur mühsam voran, da zahlreiche Straßen zerstört oder von Erdrutschen blockiert waren.

589 Menschen wurden bei dem Beben in der Provinz Qinghai getötet, wie staatliche Medien am Abend berichteten. Das Erdbeben einer Stärke von mindestens 6,9 ereignete sich in dem vor allem von Tibetern bewohnten Berggebiet Yushu. Tausende Hütten aus Holz und Lehm stürzten chinesischen Medienberichten zufolge ein. Besonders betroffen war laut der Nachrichtenagentur Xinhua die Stadt Jiegu in der Nähe des Epizentrums. Dort wurden rund 85 Prozent der Häuser zerstört, darunter buddhistische Tempel sowie die örtliche Handelskammer. Unter den Opfern sind auch dutzende Kinder von mindestens zwei Schulen.

+++ DIE ERDBEBENKARTE DES GFZ POTSDAM +++

Bilder im chinesischen Fernsehen zeigten, wie viele Einwohner mit Autos, Traktoren und Kleinlastern zu flüchten versuchten, während andere mit bloßen Händen in den Trümmern nach Vermissten gruben, weil sie keine Bagger oder anderes schweres Räumgerät zur Verfügung hatten. Bis zum Abend konnten Rettungsteams mehr als 900 Überlebende bergen.

Hilfsangebote von UN, Japan und EU

Präsident Hu Jintao rief zu vermehrten Anstrengungen zur Bergung der Opfer auf. Peking stellte eine Nothilfe von umgerechnet mehr als 21 Millionen Euro bereit. Fast 6000 Soldaten, Rettungsspezialisten und Mediziner wurden entsandt, 5000 Zelte sowie je 50.000 Mäntel und Decken zur Verfügung gestellt. Die Vereinten Nationen, Japan und die EU-Kommission boten ihre Hilfe an.

Das Beben rief weltweit Bestürzung hervor. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon drückte der Regierung und dem Volk in China sein Beileid aus. In Berlin übermittelten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Horst Köhler in Beileidsschreiben an die Staats- und Regierungsspitze ihre „tief empfundene“ Anteilnahme.

Dalai Lama bekundet Beileid

Auch der Dalai Lama, das geistliche Oberhaupt der Tibeter, bezeugte den Opfern sein Beileid. Er kündigte Gebete im Haupttempel seines nordindischen Exilorts Dharamshala an und erklärte, er werde prüfen, auf welche Weise er selbst helfen könne. Peking wirft dem Dalai Lama vor, die Abspaltung Tibets von China zu betreiben.

Menschen wurden im Schlaf überrascht

Die schweren Erdstöße hatten viele Menschen am frühen Mittwochmorgen im Schlaf überrascht. Es herrschte Chaos und Panik. Mit bloßen Händen suchten verzweifelte Menschen in den Trümmern nach Verschütteten. Verletzte mit blutenden Wunden suchten vergeblich nach medizinischer Hilfe.

Die Stadt Jiegu, der Verwaltungssitz der Präfektur, wurde „fast dem Erdboden gleichgemacht“, sagte der Funktionär Zha Xi von der Katastrophenzentrale der Nachrichtenagentur dpa in Peking. „Die meisten Häuser sind eingestürzt. Wir suchen nach Verschütteten.“ Hilfe von außerhalb ließ lange auf sich warten. „Gegenwärtig sind wir bei den Rettungsarbeiten auf uns alleingestellt“, sagte der Beamte acht Stunden nach dem Beben. „Unsere Hauptaufgabe ist, verschüttete Menschen aus den Trümmern zu graben.“

Die Straße zum nahe gelegenen Flughafen sei nach Erdrutschen blockiert. „Wir bemühen uns, den Weg von der Gemeinde zum Flughafen freizubekommen, weil es die einzige Möglichkeit ist, um Hilfsgüter hierher zu bekommen.“ Es gebe vor Ort nur einige hundert Soldaten. „Sie sind alle schon an vorderster Front der Bergungsarbeiten.“ Ein Staudamm habe bedrohliche Risse gehabt, doch sei die Situation entschärft worden. „Das Wasser wurde komplett abgelassen, so dass jetzt keine Gefahr mehr herrscht“, sagte Zha Xi.

In dem abgelegenen Erdbebengebiet mangelte es an schwerem Räumgerät und medizinischer Hilfe. „Die Straßen von Jiegu sind voll mit Menschen in Panik und mit Verletzten, von denen viele aus Wunden am Kopf bluten“, sagte ein Funktionär der Nachrichtenagentur Xinhua. „Ich sehe Verletzte überall. Das größte Problem ist jetzt, dass es keine Zelte gibt. Uns fehlen auch medizinische Ausrüstung, Medikamente und ärztliches Personal.“

Erinnerungen an Beben in Sichuan

Das Desaster weckte Erinnerungen an die Erdbebenkatastrophe im Mai 2008 in der Provinz Sichuan, wo mehr als 87 000 Menschen ums Leben gekommen waren. Einige Chinesen sahen auch Parallelen, weil damals die Erde kurz vor den Olympischen Spielen in Peking bebte, während jetzt mit der im Mai in Shanghai beginnenden Expo 2010 erneut ein Weltereignis in China bevorsteht. Wie in Sichuan, wo es eine heftige Kontroverse um Pfusch am Bau in Schulen gab, stürzten jetzt auch mehrere Schulgebäude ein. Wie viele Kinder ums Leben kamen, war unklar.

„Viele Studenten sind in den Trümmern eines eingestürzten Gebäudes einer Berufsschule begraben“, sagte ein Funktionär laut Xinhua. Ein Grundschullehrer sagte: „Die Gebäude unserer Schule stürzten alle ein.“ Das Beben sei vor Beginn des Unterrichts passiert. „Einige Schüler rannten aus den Schlafsälen, und jene, die nicht rechtzeitig flüchten konnten, wurden begraben.“

„Mein Haus zitterte gewaltig, dann stürzte es ein“, erzählte der Vizenachrichtenchef des Fernsehens von Yushu, Karsum Nyima, der unverletzt davongekommen war. „Die Häuser hier sind meist aus Holz und Lehm gebaut“, sagte der Funktionär im Staatsfernsehen. „Fast alle Häuser sind eingestürzt.“ Er beschrieb die Lage als chaotisch. „Die Menschen sind alle auf den Straßen, stehen vor den Trümmern ihrer Häuser.“ Das Gebiet im Süden von Qinghai ist zwar dünn besiedelt, doch lag das Epizentrum nur 50 Kilometer westlich von Jiegu. Drei größere Nachbeben bis zu einer Stärke von 6,3 wurden registriert.