Mehrere ehemalige Heimkinder behaupten, brutal von Mixa geschlagen worden zu sein. Das Bistum weist die Vorwürfe zurück.

Augsburg/Bonn. Im Skandal um sexuellen Missbrauch und Misshandlungen unter dem Dach der Kirche ist mit Walter Mixa erstmals ein amtierender Bischof unter Verdacht geraten. Der Augsburger Würdenträger soll nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ (Mittwoch) in seiner Zeit als Stadtpfarrer (1975-1996) im oberbayerischen Schrobenhausen Mädchen und Jungen wiederholt geschlagen haben. Das Augsburger Ordinariat wies die Vorwürfe zurück. Die Deutsche Bischofskonferenz reagierte auf die große Zahl der Missbrauchsfälle mit einem bislang einmaligen Schritt. In den Karfreitags-Gottesdiensten soll es eine Fürbitte für die Opfer geben. „Lasst uns beten für die Kinder und Jugendlichen, denen inmitten des Volkes Gottes, in der Gemeinschaft der Kirche, großes Unrecht angetan wurde, die missbraucht und an Leib und Seele verletzt wurden; wir beten auch für diejenigen, die schuldig geworden sind und sich schwer versündigt haben an jungen Menschen, die ihrer Sorge und Obhut anvertraut waren“, heißt es in dem Vorschlag des Missbrauchsbeauftragten Stephan Ackermann, Bischof von Trier.

Jeder der 27 Bischöfe kann selbst entscheiden, ob die Fürbitte gelesen wird. Während Mixas mutmaßliche Opfer ihre Anschuldigungen nach „SZ“- Angaben mit eidesstattlichen Erklärungen über Ohrfeigen, Fausthiebe und Schläge auf das Gesäß untermauerten, dementierte das Bistum und drohte mit zivil- und strafrechtlichen Schritten. Mixa habe in seinen jeweiligen Wirkungsbereichen „zu keinem Zeitpunkt körperliche Gewalt gegen Kinder oder Jugendliche angewendet“, hieß es in einer Erklärung. Die Behauptungen seien „absurd, unwahr und offenbar in der Absicht erfunden, den heutigen Bischof von Augsburg persönlich zu diffamieren“. Schläge mit der Faust Eine heute 47 Jahre alte Frau aus Augsburg bestätigte der Nachrichtenagentur dpa, dass Mixa sie gezüchtigt habe. Sie sei als Mädchen von dem damaligen Stadtpfarrer in dem Kinderheim in Schrobenhausen mehrmals kräftig geschlagen worden. „Das waren Schläge mit der flachen Hand und Faust ins Gesicht.“ Einmal habe Mixa sie so gewaltig ins Gesicht geschlagen, dass sie in ihr Bett gefallen sei. Als 14-Jährige sei sie mit einer Zigarette Mixa auf der Straße begegnet. Der habe ihr eine so kräftige Ohrfeige verpasst, dass ihr die Zigarette aus dem Mund gefallen sei. „Der hat mir volle Kanne eine mitgegeben“, erzählte die Frau.

Vier damaligen Freundinnen sei es ähnlich ergangen. „Immer wenn wir unartig waren, haben uns die Nonnen mit dem Stadtpfarrer gedroht.“ Auf den Einwand, Mixa bezeichne diese Angaben als unwahr und erfunden, sagte die Frau: „Das stimmt, ich stehe dazu und werde das auch vor Gericht bestätigen.“ Grünen-Chefin Claudia Roth forderte eine „lückenlose Aufklärung“ der Vorwürfe gegen den Bischof. Sie verlangte nach Angaben ihrer Partei eine externe und unabhängige Bewertung, um den Opfern Sicherheit zu geben. Sie dürften im Aufklärungsverfahren nicht Drohungen ausgesetzt werden. Bayerns SPD-Chef Florian Pronold forderte Mixa auf, die Vorwürfe glaubhaft zu entkräften. Die Kirche müsse ihnen mit Belegen entgegentreten oder Missstände offenlegen.

Ansturm auf Hotline

Bischof Ackermann plant eine bundesweite Statistik für die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle. Das sagte er der „Frankfurter Rundschau“. Eine „ständige Dokumentation“ sei „denkbar“. Über die Telefon-Hotline der katholischen Kirche für Missbrauchsopfer sind am ersten Tag nach Angaben des Bistums Trier 162 Gespräche geführt worden. Mit insgesamt 4459 Anrufversuchen habe es eine „sehr große Resonanz“ auf das Angebot gegeben. An die Online-Beratung (www.hilfe- missbrauch.de) seien 33 Anfragen gestellt worden, etwa 2800 Menschen hätten die Seite besucht. Das Opfer-Netzwerk SNAP warnte davor, die Nummer 0800-1201000 zu nutzen. Die Kirche versuche damit, die Verbrechen intern zu handhaben und geheim zu halten. In dem Bistum Münster wurde ein weiterer Priester wegen des Verdachts auf sexuellen Missbrauch suspendiert. Der Geistliche gehöre dem katholischen Orden Arnsteiner Patres an und war zuletzt als Seelsorger in dem Bistum Münster tätig, teilte das Bistum mit. Bis zur Klärung der Vorwürfe hat der Ordensobere in Lahnstein (Rheinland- Pfalz) den Pater in ein anderes Kloster berufen. Im Umfeld des Bistums Münster wird bislang gegen mehr als ein Dutzend Priester ermittelt. Pubertäre SMS an 13-Jährigen Im niederbayerischen Kloster Metten hatte ein Ordensmitglied im Jahr 2007 einem 13-jährigen Schüler „mehrere SMS pubertär-sexuellen Inhalts“ geschickt, sagte Abt Wolfgang Maria Hagl. Der Mann habe Selbstanzeige erstattet und die Abtei am Mittwoch verlassen. Nachdem die SMS von der Mutter des Jungen entdeckt worden waren, habe die Abtei den Beschuldigten am selben Tag suspendiert. Der Mitbruder habe sich daraufhin einer Therapie unterzogen. Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass sich der Ordensmann im Internet weiterhin mit 14- bis 19-jährigen Schülern über sexuelle Themen ausgetauscht habe. „Die Maßnahmen, die ich 2007 gegen den Beschuldigten ergriffen habe, haben sich heute als unzureichend herausgestellt“, räumte Hagl ein. Im Maristen-Orden im Emsland sollen zwei Ordensleute in den 50er, 60er und gegen Ende der 70er Jahre Jugendliche sexuell missbraucht haben. Die beiden Männer seien 1987 und 2008 gestorben, sagte der von dem katholischen Orden beauftragte Anwalt Klaus Hamacher in Meppen. Einer der Männer sei ein Pater gewesen, der im Jungeninternat Lehrer war. 1980 wurde er vorübergehend aus dem Schuldienst genommen, ab 1984 habe er auf Empfehlung eines Psychologen in Bayern wieder als Religionslehrer gearbeitet. Aus dieser Zeit gebe es keine Hinweise auf strafbare Handlungen, sagte Hamacher. Seit dem 10. März hätten sich bei ihm sieben Betroffene gemeldet.