Das Tier tötete bereits zwei Menschen. Was mit ihm geschehen soll, ist unklar. Expertin weist Kritik an Haltung zurück.

Hamburg/Florida. Die Mittagsvorführung im Shamu-Stadion des SeaWorld-Parks in Orlando (Florida) war bereits vorbei. Die Dompteurin Dawn Brancheau (40) wollte den Hauptdarsteller der Show, Schwertwal Tilikum, noch einmal dem begeisterten Publikum präsentieren und tätschelte von einer Plattform aus, die sich inmitten des Beckens befindet, seine Schnauze. Plötzlich tauchte der sechs Tonnen schwere Koloss ab, schoss Sekunden später wieder aus dem Wasser und zog die Trainerin an ihrem Pferdeschwanz unter Wasser. Was die Zuschauer zuerst für einen Teil der Show hielten, war ein Todeskampf. Tilikum drückte Brancheau unter Wasser, sie ertrank und konnte nur noch tot geborgen werden. Das Stadion wurde sofort nach dem Vorfall geräumt und geschlossen, doch der Schock beim Publikum sitzt tief.

Zuerst hieß es, die erfahrene Trainerin, die seit 16 Jahren mit den Meeressäugern arbeitete, sei ausgerutscht und ins Becken gefallen. Der Polizeisprecher von Orange County, Jim Solomon, sprach "von einem tragischen Unfall". Doch schon bald berichteten Augenzeugen von einem anderen Hergang. Victoria Biniak hatte mit ihrer Familie die Wal-Dressur besucht und erzählte: "Der Wal war schon während der Vorführung irgendwie störrisch. Am Ende sprang er von der Plattform, kam zurück, schoss in die Luft, griff die Dompteurin an der Hüfte und begann, sie herumzuwirbeln." Gestern gingen die Ermittlungen zum genauen Ablauf weiter, doch der Leiter des Dressurprogramms von SeaWorld, Chuck Tompkins, erklärte: "Dawn hatte sehr langes Haar und trug einen Pferdeschwanz. Der schwang genau vor ihm. Er hat sie bei den Haaren gepackt und unter Wasser gezogen."

Gleichzeitig betonte er, dass kein anderer Pfleger mehr Erfahrung mit Tilikum gehabt habe als Brancheau. Von den 28 Pflegern, die sich in Orlando um die Tiere kümmern, arbeiteten nur zwölf überhaupt mit dem Bullen zusammen. Keiner der Trainer durfte mit dem Meeresriesen im Becken schwimmen, der Park achtete sehr auf die Sicherheit der Mitarbeiter. Dies war nötig, da Tilikum, dessen Name frei übersetzt "Freund" bedeutet, in der Vergangenheit bereits mit zwei Todesfällen in Verbindung gebracht wurde. Der 30 Jahre alte Bulle befindet sich seit 1983 in Gefangenschaft und lebt seit 1992 im SeaWorld-Park von Orlando. Er kam aus dem Sealand Park in Kanada, wo ein Jahr zuvor die erst 20 Jahre alte Keltie Byrne gestorben war. Die Waltrainerin war in das Becken gefallen, in dem Tilikum mit zwei anderen Orcas schwamm. Als die junge Frau versuchte, aus dem Pool zu steigen, wurde sie von den Tieren immer wieder zurück ins Wasser gezogen, wo sie ertrank. Die Zoodirektion argumentierte damals, die Wale hätten die Trainerin schützen wollen, wie sie es mit Artgenossen tun. Dabei hätten sie die Frau unter Wasser gedrückt.

Doch auch in Orlando kam es im Zusammenhang mit Tilikum zu einem tödlichen Zwischenfall. 1999 ließ sich Daniel Dukes (27)im SeaWorld einschließen und versuchte offensichtlich, mit den Walen zu schwimmen. Am nächsten Morgen wurde seine Leiche in Tilikums Becken gefunden. Anscheinend hatte der Wal mit ihm spielen wollen. Was nun mit Tilikum passieren soll, ist unklar. Chuck Tompkins sagte: "Wir werden die richtige Entscheidung treffen." Er solle auf jeden Fall nicht getötet werden. Die Schwester von Brancheau, Diane Gross, sagte, für ihre Schwester seien die Tiere wie Kinder gewesen. "Sie hätte nicht gewollt, dass Tilikum etwas passiert."