Die Ausmaße der Schlamperei beim Bau der Kölner U-Bahn sind größer als bisher angenommen: Fünf von acht Bahnhöfen sind betroffen.

Köln. Der Pfusch beim Bau der Kölner U-Bahn hat noch größere Ausmaße als bisher bekannt: Bauprotokolle für zwei weitere unterirdische Baustellen sollen manipuliert worden sein, teilten die Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) und die ermittelnde Staatsanwaltschaft am Freitag mit. Der Vorwurf von Schlamperei und kriminellen Machenschaften trifft damit schon fünf der insgesamt acht neuentstehenden Bahnhöfe der Nord-Süd-Stadtbahn. Parallel zu den neuen Enthüllungen meldete eine Zeitung, der stark unter Druck geratene federführende Baukonzern Bilfinger Berger suche einen neuen Vorstandschef.

Im Skandal um die Missstände an den U-Bahn-Baustellen hat die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen nach den neuen Vorwürfen ausgeweitet. Es gebe den Verdacht, dass für zwei weitere Baugruben Messdaten in den Protokollen gefälscht worden seien, sagte Oberstaatsanwalt Günther Feld. Bisher war man von drei U-Bahn-Baugruben ausgegangen, in denen die Sicherheitsvorkehrungen nicht eingehalten wurden. An der größten Baustelle, am Heumarkt in Rhein-Nähe, werden als Folge der Mängel derzeit umfangreiche Sicherungsmaßnahmen getroffen, um die Baugrube vor drohendem Hochwasser zu schützen. Die Sorge besonders von Anwohnern wächst.

Feld sagte, auch wenn die Ermittlungen nun ausgeweitet worden seien, werde man „in Sachen Eisenbügel und Messdaten-Manipulation“ relativ schnell zu einer Aufklärung kommen. „Ich kann kein Datum nennen, aber das kann nicht lange dauern.“ Die zweifelhaften Protokolle sollen sich untereinander verdächtig ähneln oder nahezu identisch sein. Stabilisierende Eisenbügel in den Baugruben sollen in großem Umfang nicht eingebaut, sondern stattdessen zum illegalen Verkauf abgezweigt worden sein.

Die erst jetzt allmählich aufgedeckten Mängel an den unterirdischen Wänden stammen dem Kölner Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD) zufolge nicht aus jüngster Vergangenheit. Pfusch, Fehler und kriminelle Machenschaften lägen vier bis fünf Jahre zurück, hatte der OB am Donnerstag gesagt. Auch an den anderen Baustellen will die KVB als Bauherr des Milliarden-Projekts nun alle tragenden Betonteile untersuchen.

Ermittelt wird derzeit gegen rund ein Dutzend Verdächtigte, auch Beschäftigte von Bilfinger Berger. Erst am Donnerstag hatte der Konzern offensive Aufklärung versprochen, nun sucht er laut „Financial Times Deutschland“ bereits einen Nachfolger für Chef Herbert Bodner. Ein Konzern-Sprecher sagte dazu aber auf Anfrage lediglich: „Wir werden uns an diesen Spekulationen sicherlich nicht beteiligen.“ Bodners Vertrag läuft dem Bericht zufolge allerdings erst wie geplant Mitte 2011 aus.

Der Wirtschaftskriminalist Uwe Dolata sagte, der Kölner Fall sei ein Beleg für die immer drastischeren Auswirkungen von Korruption. „Einsturzgefahren, bröckelnder Beton, gesperrte Brücken - all das sind Folgen von Schmiergeld und Kungelei“, sagte der Würzburger Fachmann für Korruption der dpa. Die Baubranche sei über Jahrzehnte hinweg besonders anfällig für Korruption gewesen, weil dort das meiste Geld geflossen sei. „Da ist viel Geld unterwegs und die öffentliche Hand sehr häufig der Auftraggeber.“ Unternehmen wie Bilfinger Berger gehe es vor allem um eines: „Aufträge heranklotzen um jeden Preis.“

Ein Kölner Bauunternehmer meinte in „Welt Kompakt“, die Vergabepraxis für den Bau der U-Bahn müsse unter die Lupe genommen werden. Bei der Ausschreibung hätten Baufirmen Preise angeboten, zu denen „kein seröses Unternehmen die angeforderte Qualität liefern konnte“, sagte der als „Insider“ bezeichnete Firmenchef der Zeitung.