Eis, Schnee und Wartungsstau bringen Fahrpläne durcheinander. Bahnfahrer müssen noch bis zum Frühjahr mit Verspätungen rechnen. Verkehrsminister will die Industrie haftbar machen.

Hamburg. Es gab Zeiten, da war die Deutsche Bahn noch stolz auf ihre Zuverlässigkeit. "Alle reden vom Wetter, wir nicht", warb das Staatsunternehmen in den 60er-Jahren. Derzeit käme ein solcher Werbespruch bei den Fahrgästen allerdings gar nicht gut an. Eis und Schnee haben nämlich vielen Zügen dermaßen zugesetzt, dass die Werkstätten mit der Reparatur kaum noch nachkommen. Vor allem die empfindlichen ICE-Hochgeschwindigkeitsmodelle erweisen sich im Winter als besonders störanfällig. Die Folge des entstandenen Wartungsstaus sind Verspätungen und überfüllte Züge bis ins Frühjahr hinein.

"Wir haben derzeit nicht die Anzahl an Zügen zur Verfügung, die wir eigentlich bräuchten", sagte ein Bahn-Sprecher dem Abendblatt und bestätigte damit einen entsprechenden Bericht des "Spiegels". Vor allem der sogenannte Schotterflug bereitet den Hochgeschwindigkeitszügen nach den Worten des Sprechers Probleme: Eisklumpen fallen während der Fahrt von den ICE-Zügen ab und schleudern den Schotter im Gleisbett gegen den Unterboden. Die Brocken können die Elektronik, Achsen oder Räder beschädigen, die dann aufwendig repariert werden müssen. Die angespannte Situation wird noch dadurch verschärft, dass die ICE-Züge seit einem Achsbruch vor eineinhalb Jahren ohnehin deutlich öfter zum Sicherheitscheck müssen als eigentlich vorgesehen.

Der Bahnsprecher versicherte, dass die Situation für die Fahrgäste nach der Frostperiode "sehr schnell spürbar besser" werde. So falle bei wärmerem Wetter auch die mehrstündige Abtauzeit bei den Achs-Untersuchungen weg. Zudem habe die Bahn bereits zusätzliches Personal in die Werkstätten geschickt. Er räumte aber ein, dass auch bei Tauwetter auf einigen Linien weiterhin nur verkürzte Züge fahren würden. Nach Informationen des Fahrgastverbands Pro Bahn ist dies derzeit unter anderem auf Abschnitten der Strecke Hamburg-München der Fall.

Um den Engpass abzufedern, hatte die Bahn bereits vor zwei Wochen ICE-Züge von der Strecke nach Paris abgezogen. Stattdessen fahren dort zwei zusätzliche TGV der französischen Bahn. Zudem ist die Bahn dabei, sechs bereits eingemottete Diesel-ICE wieder fahrtüchtig zu machen und als Ersatz für die moderneren Modelle auf die Schiene zu schicken.

Bahnchef Rüdiger Grube machte gestern die Zug-Hersteller für die höheren Wartungsintervalle der ICE verantwortlich. Die Industrie habe nicht die Qualität geliefert, die die Bahn eingekauft habe, sagte er im Deutschlandfunk. Das Auswechseln aller Räder und Radscheiben sei ein Prozess, der sich "weit in das Jahr 2011" hinziehen werde. Einen Zusammenhang mit Sparbemühungen wegen des mittlerweile auf Eis gelegten Bahn-Börsengangs wies Grube zurück. "Wenn wir defekte Fahrzeuge haben, hat das nichts mit Sparen zu tun."

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) forderte, die Industrie für die Winterschäden an den ICE-Zügen haftbar zu machen. "Es darf nicht sein, dass Pulverschnee durch Lüftungsschlitze eindringt und die Elektronik lahmlegt", kritisierte er in der "Bild am Sonntag". Die Züge werden von Siemens, Bombardier und Alstom gebaut.

Auch der Fahrgastverband Pro Bahn übte heftige Kritik an den Zugherstellern. "Die Industrie hat die modernen Züge mit immer mehr Elektronik vollgestopft, die sich nun als besonders störanfällig erweist", sagte der Verbandsvorsitzende Karl-Peter Naumann dem Abendblatt. Von der Bahn forderte er, künftig mehr Züge in Reserve zu halten, um einer ähnlichen Situation besser gewachsen zu sein. Ältere Modelle dürften nicht voreilig verschrottet werden.