Durch ein Metallteil eines anderen Flugzeugs soll ein Tank aufgerissen worden sein. War es ein Wartungsfehler?

Paris. Die Katastrophe bei Paris läutete das Ende einer Ära ein. Als vor knapp zehn Jahren, am 25. Juli 2000, eine Concorde der französischen Air France in einem Feuerball explodiert und 113 Menschen in den Tod reißt, ist der Mythos des Überschallflugzeugs zerstört. Seit gestern wird nun wohl endgültig das Schlusskapitel in der Geschichte des "Donnervogels" geschrieben. Ein französisches Strafgericht soll klären, ob jemand Schuld an der Katastrophe trägt. Den Richtern ist auch aus Deutschland Aufmerksamkeit sicher. Die schleswig-holsteinische Reederei Deilmann hatte den Flug nach New York gechartert - 97 Opfer kamen aus der Bundesrepublik.

Angeklagt sind: 1. Die US-Fluggesellschaft Continental Airlines als juristische Person, denn von einem Continental-Flugzeug stammte die Metall-Lamelle auf der Startbahn. 2. John Taylor und Stanley Ford von Continental. Taylor soll das Teil nicht normgerecht angefertigt und sein Vorgesetzter Ford dies genehmigt haben. 3. Henri Perrier als Leiter des Concorde-Programms. 4. Claude Frantzen, der bei der Flugaufsichtsbehörde Frankreichs für die Concorde verantwortlich war. 5. Jacques Hérubel - bis 1995 Chefingenieur der Concorde bei Aérospatial.

Vor dem Gericht in Pontoise bei Paris wird es zu einer Schlacht der Sachverständigen kommen. Die offiziellen Flugunfallermittler gehen davon aus, dass das auf der Startbahn liegende Metallteil einer Continental-Maschine einen Reifen der Concorde zerfetzte und so das Flammeninferno auslöste. Die Anwälte der US-Fluggesellschaft wollen dies aber infrage stellen. Nach ihrer Darstellung fing die Überschallmaschine bereits vor der Berührung mit der 43,5 Zentimeter langen Lamelle Feuer. Ursache könnte ein Wartungsfehler oder das Überladen der Maschine gewesen sein. Die ehemaligen Mitarbeiter der Luftfahrtbehörde und von Aérospatiale werden beschuldigt, nicht vor möglichen Risiken des Flugzeugs gewarnt zu haben. Laut Expertenbericht war das auf der Fahrbahn liegende Titanteil gegen die Verkleidung der Treibstofftanks der Concorde geprallt. Das auslaufende Kerosin geriet daraufhin in Brand und führte zum Absturz der Maschine. Allen Angeklagten werden fahrlässige Tötung und Körperverletzung vorgeworfen.

Für die meisten Hinterbliebenen wird der Prozessausgang keine direkte Bedeutung haben. Etwa 700 Angehörige der Opfer von Flug AF 4590 einigten sich bereits kurz nach der Katastrophe mit Air France auf Entschädigungen - 173 Millionen Euro sollen geflossen sein. Das Urteil wird im September/Oktober erwartet.

Nach dem Verfahren wird nur die Erinnerung bleiben: Für viele Millionen Menschen war das 62,1 Meter lange Flugzeug mit seiner Spannweite von nur 25,5 Metern und einer Höchstgeschwindigkeit von 2405 Kilometern pro Stunde faszinierende Technik pur. Stars und Sternchen waren Dauergäste, allen voran Formel-1-Fahrer und Tennisstars. Margaret Thatcher fühlte sich an Bord genauso wohl wie die britische Königin oder Papst Johannes Paul II.

Fotos zum Absturz unter: www.abendblatt.de/concorde