Obdachlose Frauen werden im Erdbebengebiet von Haiti zunehmend Opfer von Gewaltangriffen durch aus den Gefängnissen geflohene Verbrecher.

Port-au-Prince. Gut zwei Wochen nach dem verheerenden Erdbeben in Haiti werden obdachlose Frauen zunehmend Opfer von Gewaltangriffen durch aus den Gefängnissen geflohene Verbrecher. Banditen belästigten und vergewaltigten Frauen und Mädchen, die in Zelten Zuflucht gesucht hätten, sagte der haitianische Polizeichef Mario Andrésol. Die Dominikanische Republik will eine zweite Konferenz für den Wiederaufbau Haitis organisieren.

Andrésol machte rund 7000 verurteilte Kriminelle für die Zunahme der Gewalt verantwortlich, die nach dem Erdbeben aus zerstörten Gefängnissen entkommen waren. „Wir haben fünf Jahre gebraucht, um sie zu fassen, und heute laufen sie frei herum und werden uns Probleme bereiten“, sagte der Polizeichef. Offizielle Zahlen zu den Opfern gibt es nicht, Frauenorganisationen in der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince alarmierten allerdings die Vereinten Nationen.

Die Polizei als einzige Ordnungsmacht des Karibikstaates zählte vor dem Erdbeben rund 8000 Beamte. Mindestens 70 Polizisten seien ums Leben gekommen, rund 400 verletzt worden, sagte Andrésol. 500 würden noch vermisst. Von gut 6000 Polizisten aus dem Hauptstadtgebiet hätten sich zwei Wochen nach dem Beben nur 3400 zurückgemeldet.

In der Region bemühen sich die Vertreter weiter um eine bessere Koordinierung der Hilfen. Die Dominikanische Republik will am 14. April eine zweite Konferenz für den Wiederaufbau seines zerstörten Nachbarlandes veranstalten. Das Treffen werde auf Bitten des haitianischen Präsidenten René Préval organisiert, kündigte der dominikanische Außenminister Carlos Morales Troncoso an.

60 Adoptivkinder aus Haiti haben nach dem verheerenden Erdbeben in ihrer Heimat jetzt ein neues Leben in Deutschland begonnen. Sie kamen am Frankfurter Flughafen an, wo sie von ihren Adoptiveltern in die Arme geschlossen wurden, wie die „Rhein-Zeitung“ in Koblenz berichtete. Sechs Kinder mussten direkt in ein Krankenhaus gebracht werden. „Sie waren in Folge des Erbebens entkräftet und dehydriert. Gemessen an den Umständen geht es aber allen Kindern recht gut“, sagte die Vorsitzende des Adoptionsvereins „Help a Child“, Bea Garnier-Merz, der Zeitung. Ihre Organisation hatte die Waisenkinder dem Bericht zufolge schon vor dem Erdbeben an die deutschen Familien vermittelt. Unterdessen stehen vor den Konsulaten in Haiti die Menschen in sengender Hitze geduldig an. Die in vielen Fällen unbegründete Hoffnung auf ein Ticket heraus aus der Erdbeben-Hölle in eine heile Welt lässt sie die Strapazen ertragen.

Nur wenige haben eine Chance, ein Visum zu ergattern. Dennoch warten Tausende stundenlang mit quengelnden Kindern an der Hand. Sie wollen einem überarbeiteten Konsularbeamten ihre Gründe für eine sofortige Ausreise vortragen. Angesichts der unzähligen individuellen Tragödien kann sich kaum einer von ihnen vorstellen, dass gerade ihr Ansinnen unerhört, ihr Leiden unberücksichtigt bleiben könnte.

Viele können als einzigen Grund nur die Aussicht auf ein besseres Leben vorbringen. Vermutlich ist dies die ehrlichste Begründung, die zugleich zu einer sicheren Ablehnung führt. Die Geschichten sind fast alle ähnlich: Familienangehörige, die schon in dem Land der Sehnsucht leben; zerstörte Häuser; Kinder mit einer ausländischen Staatsbürgerschaft; keine Zukunft in Haiti; Verlust der Arbeit oder des Studienplatzes infolge des Bebens.

Einen besonderen Ansturm erleben die Konsulate Kanadas und Frankreichs. Hier spielt die Sprache eine große Rolle: viele Bürger der früheren französischen Kolonie sprechen Französisch und in Montréal und Quebec, dem frankophonen Teil Kanadas, lebt eine der größten Gemeinschaften von Haitianern außerhalb des Karibikstaates. Viele versuchen ihr Glück auch bei den Amerikanern oder beim Nachbarland Dominikanische Republik.